Tilmans Zitat der Woche: "Die Leute hier im Norden haben zwar schlechtes Wetter, aber dafür gute Laune!" - ein Satz, den ich unterschreiben kann! Was gibt es für einen schöneren Wochenabschluss für so eine Radtour, als nette Menschen?
Samstag 07.10.
Wie das immer so ist, wenn man bei viel zu coolen Leuten zu Gast ist: Man verquatscht sich! Mit der festen Absicht am Morgen früh gegen 09:00 zu starten wachte ich auf dem viel zu bequemen Sofa auf und musste feststellen, dass Tilman schon längst auf den Beinen war. Ein Blick in die Küche verriet mir, dass er bereits mit Niklas im Gespräch vertieft war. Gestern Abend war ja leider nicht mehr genug Zeit dafür, da er für einen Wochenendtrip packen musste. Langsam trudelten dann auch Emil und seine Freundin ein und den Rest haben wir ja schon vorweg genommen: Wir verquatschten uns!
War auch garnicht so schwierig, denn die beiden haben echt ein paar coole Sachen gemacht! Vor ein paar Jahren nahmen sie an einer dänischen "Survival Show" teil - und wurden Erste! Verrückt, wie man sich nur von Fisch und Bären gut 30 Tage ernähren kann!
Zum Abschied gaben Sie uns noch Probepackungen von dem "Astronautenessen" mit. Vielleicht ist es ja nicht so schlimm, wie wir denken, dass es ist...
Offenbar war der Abschied auch sehr emotional, denn der Hund kam uns direkt hinterher gerannt. Auch für uns war es nicht so einfach, denn wir kehrten nach ca 200m wieder um. Natürlich hatten wir vergessen Tilmans Reifen nochmal mit einer normalen Pumpe aufzupusten. Leider funktionierte ihre Pumpe vor Ort nicht ganz so gut.... Also fuhren wir einfach wieder los. Diesmal kamen wir nicht zurück.
Die nächsten Kilometer ging es noch auf der Insel Fyn entlang Richtung Middelfart, wo uns eine Brücke auf das Festland führen sollte.
Andrea, Tilmans Mama, kannte die Stadt noch von ihren Segelexpeditionen und empfahl uns einen Abstecher zum Hafen zu machen. Das ließen wir uns natürlich nicht entgehen! Mit fantastischem Blick auf die riesige Autobahnbrücke nahmen wir unseren Brunch im Hafen ein. Danach ging es weiter auf das dänische Festland. Teilweise nahmen wir eine, zumindest Tilman, bekannte Strecke. Dabei ging es entang von Feldern, Hügeln und hier und da mal einen Sonnenschein.
Für unsere letzte Nacht in Dänemark hatten wir uns einen kostenlosen Shelter nahe des Wassers rausgesucht. Am Ende einer Einbahntraße gelegen, erwarteten wir einen ziemlich leeren Shelter. Was wir nach der schönen Runterfahrt vorfanden, war allerdings eine Reihe von 5 Campingwagen, die sich "wunderbar" um den Shelter drappiert hatten.
Das verwunderliche dabei war, dass es auf dem Parkplatz davor ausdrücklich verboten war ein Zelt oder einen Camper für eine Nacht aufzustellen. Ob die kleine Wiese des Naturschutzgebietes hinter einem 30cm hohen Deich davon ausgenommen war, interpretierten einige natürlich zu ihrem Gunsten.
Zwei der Paare hatten es sich in dem Shelter und vor der Feuerstelle bequem gemacht. So richtig begeistert waren wir nicht, wollten aber auch die anderen nicht wegschicken. Es war auch eine bunte Truppe und sie boten uns auch an Platz zu machen, falls wir schon schlafen wollen würden. Eine sehr nette Geste! Wir durften sogar unseren kleinen Wassertopf mit aufs Feuerstellen um das "Astronautenessen" von Emil und Niklas mal auszuprobieren. Veganes Chipotle. Nicht so schlecht wie gedacht, aber ganz schön scharf für unsere abtrainierten Geschmacksnerven. Gerne einmal wieder, aber Geld würden wir deshalb vermutlich nicht ausgeben. Während der Lagerfeuergespräche erfuhren wir mehr über unsere Nachbarn. Ein Paar kamen aus Berlin, die anderen waren Dänen, die ab und zu mal kleine Wochenendausflüge machen. Die Gesprächssprache war uns zu anfangs nicht ganz klar, da der dänische Mann gut deutsch sprechen und verstehen konnte, während seine Frau nicht ganz so flüssig war. Das andere deutsche Pärchen wollte allerdings die ganze Zeit nur auf Deutsch sprechen. Und das obwohl die deutsche Frau vorher noch beteuerte, dass sie ja nicht ins Ausland fährt um deutsch zu sprechen sondern eigentlich immer sich mit Leuten auf englisch unterhält - gehört sich ja so. Naja manchmal gibt es halt eine Diskrepanz zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung... Auch als wir sie darauf ansprachen, dass wir uns garnicht sicher sind, ob hier ein Zelt oder Camper stehen dürfte meinte sie voller Überzeugung, dass da ja nur für den Parkplatz davor gelten würde. Es ist hier ja auch so schön, dass sie auch noch eine zweite Nacht hier stehen bleiben würden. Wieviel das mit Respekt gegenüber den Einwohnern zu tun hat, verstehen wir nicht ganz, sprachen das Thema aber auch nicht noch einmal an.
Wir genossen stattdessen unseren letzten Abend in Dänemark. Mit Lagerfeuer, einem aufgeklarten Sternenhimmel und dem Meeresrauschen im Hintergrund. Der Besuch einer kuscheligen Katze toppte die Atmosphäre nochmal :-)
Sonntag 08.10.
Die Nacht stellte sich als einigermaßen unruhig herraus. Mal sprang bei dem einen Camper die Heizung an, mal ging dort einer mit lauter Klospülung sein Geschäft erledigen und früh gegen 5:00 musste dann natürlich auch lautstark der Hund Gassi geführt werden.
Nicht nur andere können in der Nacht auf Toilette gehen. Auch wir gingen, gemeinsam als Pärchen, romantisch unter den funkelnden Sternen auf die Wiese und ließen laufen.
Nachdem ich um 5:00 morgens aus dem Schlaf gerissen wurde, konnte ich auch nicht mehr einschlafen. So beobachtete ich aus dem Shelter raus, wie die Sonne langsam die Umgebung erhellte. Ein richtig schöner Morgen. Noch schöner wäre er nur gewesen, wenn der Blick aufs Meer nicht durch Camper versperrt worden wäre.
Alsbald stiegen wir aus unserem Shelter, packten die wenigen Sachen wieder ein und fuhren an der Strandstraße wieder entlang wo wir am Tag zuvor hergekommen waren. Natürlich konnten wir uns nicht entgehen lassen nochmal Sand mitzunehmen und unsere Füße in das kalte und glatte Wasser zu tauchen.
Danach ging es wieder durch das "flache" Dänemark. Flach scheint mir dabei ein Klichee zu sein. Am letzten Tag hatten wir doch recht viele Hügel und Klippen und der Grenzübergang kam überraschend und unspektakulär.
Nun sind wir also wieder in Deutschland. Dem Land wo unsere Tour (sogar zweimal!) angefangen hat. Komisch plötzlich wieder auf deutsch nach der Toilette zu fragen.
Allerdings fuhren wir auch garnicht so weit auf deutschen Straßen. Nur ein paar Kilometer hinter der Grenze gabe es einen Platz von "wildes Schleswig". Durch ein Schild wurden wir auf die besondere Rinderart hingewiesen, die auf dem Gebiet grast. Es wird explizit darauf hingewiesen Hunde, wenn nur angeleint mitzunehmen. Der Platz, wo das Zelten erlaubt ist, ist durch Zäune von den Tieren abgetrennt und durch zwei gekreuzte Ochsenhörner gekennzeichnet. Während Tilman noch ein ausgiebiges Telefonat hatte, fing ich schonmal an das Zelt aufzubauen. Schon lustig beim Muhen und Grunzen der Kühe einzuschlafen. Erinnert einen ein bisschen an die Rentiere im hohen Norden.
Montag 09.10.
Die Nacht kündigte schon an, wie der folgende Tag werden sollte: regnerisch. Viel mehr gab es zu dem Tag auch nicht zu sagen. Wir trafen hier und da immer mal wieder auf den Jakobsweg Buen Camino! Cool war es noch unter den Nordostseekanal durchzufahren. Endlich mal ein Fahrstuhl mit angemessener Größe für Fahrräder. Den Abend verbrachten wir in einem Garten über 1nitetent. Die Familie war super süß und mega nett. Der kleine Junge freundete sich auch gleich mit Tilman an und wollte nicht so ganz akzeptieren, dass irgendwann auch "Bettchenzeit" ist.
Dienstag 10.10.
Tilmans Zitat des Tages: "Die Menschen im Norden haben scheiß Wetter, aber gute Laune".
Das können wir nur bestätigen. Obwohl es den ganzen Tag pisste, waren alle Menschen mit einem Lächeln im Gesicht anzutreffen.
Vor einem Lidl wurden wir von zwei Motorradfahrern angesprochen, die häufig ähnlich sperrlich unterwegs waren wie wir. Lustige Unterhaltungen die man so vor Supermärkten hat...
Gegen Mittag fuhren wir noch Tilmans Großonkel besuchen, da es eh auf dem Weg lag. So langsam lerne ich also Tilmans ganze Familie kennen :)
Danach gönnten wir uns zum ersten Mal einen Döner. Und mussten auch gleich die Inflation am eigenen Leibe spüren. Geschmeckt hat er trotzdem und wir haben es genossen mal nicht selbst kochen zu müssen!
Einige Kilometer später machten wir Pause neben der B4 in einem kleinen Waldstück. Kaum snackten wir unser Franzbrötchen, wurden wir von einem älteren Herren angesprochen, der gerade seine tägliche Runde drehte. Manchmal tut man offenbar auch etwas Gutes in der Welt, wenn man jemanden ein oder zwei Ohren leiht.
So setzten wir unsere Fahrt nach gut 30 Minuten fort und winkten dem Herren an der Bushaltestelle nochmal zum Abschied. Dann ging es weiter und wir fuhren gefühlte Stunden durch Hamburg.
Diese statt glänzte nicht unbedingt mit der Qualität der Fahrradwege. Dafür gab es zumindest an den meisten Straßen welche, auch wenn das rauf und runter an den Bordsteinen nicht gerade angenehm war. Aber zumindest sicherer als auf der Straße. Die letzten Kilomter ging es dann an der Wasserlinie Hamburgs entlang. Und schwupps die Wupps standen wir vor Michels Tür. Könnt ihr euch noch an Michel erinnern? Wir trafen ihn nördlich von Lulea auf einer Bank und unser Gespräch wurde damals nur von dem nahenden Regen unterbrochen. Scheint als würden wir den Gesprächsthemen auch an diesem Abend nicht überdrüssig werden. Vom Fahrradfahren über das skandinavische Leben und Politik. Wir quatschen und quatschten und quatschen. Aber irgendwann mussten wir auch ins Bett. Zum Glück bleiben wir ja auch noch einen Tag!
Mittwoch 11.10.
Trotz der lauten Baustelle draußen vor dem Fenster, schliefen wir ewig lange. Nocheinmal Kraft sammeln, bevor wir uns zu Fuß in die Innenstadt Hamburgs begeben. Da wir beide schon ein paar Mal in Hamburg waren, beschränkten wir uns heute nur darauf ein bisschen rumzuschlendern. Durch die Speicherstadt, die Musicals von der anderen Seite ansehen und einfach ein bisschen am Wasser entlang laufen. Am Abend kochten wir dann gemeinsam mit Michel und verbrachten wieder einen nicht enden wollenden Abend mit einer Menge Reiseberichte. Vielleicht ist Norwegen doch nochmal eine Reise mit dem Rad wert?
Donnerstag 12..10.
Morgens in der Früh verabschiedeten wir uns noch von Michel, der früh zur Arbeit musste. Danach legten wir uns aber auch wieder hin. Die Strecke nach Mölln zu den beiden lieben Campern, die wir in Mehman getroffen haben und die uns ein bisschen aus der Misere geholfen haben.
Bevor wir nach unserem ausgiebigen Schlaf loskonnten, mussten wir allerdings nochmal Tilmans Kette wechseln. Seid einigen Tagen macht sie beunruhigende Geräusche, welche sie nach knapp 14.000km auch mal machen darf. Stellte sich leider wieder etwas schwieriger herraus als gedacht. Der Kettenauftrenner steckte in der Bewegung fest und es brauchte einen größeren Hebel um den Pin aus dem Glied zu drücken. Danach war alles einfach wie gewohnt und wir waren abfahrtbereit.
Ein bisschen regnerisch folgten wir also unserer Route nach Mölln und waren schon voller Vorfreude. Nicht nur auf unsere liebsten Camper, sondern auch auf die Stadt. Bei einer unserer kleineren Touren führte unser Weg uns schonmal nach Mölln und wir waren so positiv überrascht von dieser kleinen Stadt, dass wir den Wunsch hegten diesen Ort nochmal zu besuchen. Offenbar hatten wir uns aber die falsche Zeit dazu ausgesucht... Die Innenstadt Möllns ist, und wird die nächsten 3 Jahre auch noch bleiben, eine Baustelle. Die komplette Straße war aufgerissen und es gab so gut wie kein Durchkommen für Fußgägner und Fahrradfahrer. Also müssen wir es in ein paar Jahren nochmal versuchen!
Bei unseren liebsten Campern angekommen, durften wir erstmal die Dusche besuchen und unsere Sachen in den Keller bringen, wo ein Bett schon für uns hergerichtet war. Das Abendessen und der darauf folgende Weinkonsum ließen unsere Gespräche vom hundertsten bis ins tausente führen. Lustig, wie sich manchmal, auch generationsübergreifend, so gute Chemie ausbilden kann. Wir haben es sehr genossen und werden die beiden vermutlich auch nicht das letzte Mal gesehen haben!
Freitag 13.10.
Das Gespräch von gestern Abend wurde natürlich am nächsten Morgen fortgesetzt. So lange, dass jemand fast zu spät zur Arbeit gekommen wäre.
Den vorletzten Tag unserer Tour starteten wir dann im strömenden Regen. Nützt ja auch nicht zu warten. Fahren müssen wir so oder so. Also ging es durch Felder und Wälder und vor lauter Regen verpassten wir eine Abbiegung und mussten nochmal 3km zurück. Die Straßendichte ist da oben halt nicht so eng. Unser Weg führte uns auf den Elbdeich, wo wir unerwarteter Weise Wind von Süden hatten. Warum das denn? Die ganzen letzten Tage (und die Woche in Dänemark) kam der Wind doch von Westen. Der Wind verweigert uns also den Rückenwind. Da wir langsamer vorrankamen als gedacht und es auch schon zu dämmern begann, entschlossen wir uns eine kleine Personenfähre über die Elbe zu nehmen. Und dann waren wir schon im altbekannten Dannenberg und bauten unser Zelt im Garten von den Eltern von Tilmans Freund aus der Uni auf. Altbekannte Prozedur. Bei dem Geräusch des Regen und der leichten Melancholie des letzten Abends auf der Tour kuschelten wir uns in die Schlafsäcke und schliefen ein.