Ausnahmsweise beginnt der Blogeintrag mal mit einem Bild. Ihr seht die Aussicht, mit der wir am frühen Morgen bei Jean und Anne-Marie geweckt wurden. So begann unser Samstag (24.09.22). Als die Wolken, die im Hintergrund noch so schön weit weg erschienen, näher kamen und heftiger Regen einsetzte, entschieden wir uns, das Frühstück und das coole Gespräch mit Jean fortzusetzen. Aufgrund unserer etwas kurzfristigen Entscheidung, doch nicht den Col du Tourmalet zu fahren, suchten wir noch nach einer Unterkunft auf dem Weg zum Col d'Aubisque. Ziemlich schnell bekamen wir eine positive Antwort von Quentin und Mathilde, ca. 40 km entfernt. Da es vorerst nur langsam bergauf gehen sollte, hielten wir dies für eine machbare Distanz. Auf wundersame Weise hörte der Regen auch genau dann auf, als wir uns auf den Weg machen wollten und den Rest des Tages sahen wir nur noch vereinzelt ein paar Regentropfen. Fürs Erste hieß es, die lange Straße, die zum Haus führt, wieder herunter zu fahren. Diesmal auch bei Tageslicht. Die heutigen Höhenmeter legten wir auf vielen Streckenkilometern zurück, was sehr angenehm war. Immer vor unseren Augen: Die Pyrenäen - und sie wurden immer größer. In Pau angekommen, legten wir beim Kanusportzentrum eine Pause ein und sahen den Kanuten bei ihrem Parcours zu. Mit neuer Kraft setzten wir unsere Reise zu unseren warmshowers Hosts fort. Quentin und Mathilde begrüßten uns mit einer leckeren Spezialität aus Ente und Ofenkartoffeln. Wir quatschten viel übers Wandern in den Bergen und über das Reisen allgemein - die Zeit verflog viel zu schnell.
Den Sonntagmorgen (25.09.22) verbrachte ich lange im Bett. Tilman war schon längst aufgestanden uns zusammen mit Quentin lötete er unser Licht und das Ladegerät wieder zusammen. Nach einem ausgiebigen Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Aucun zu Gwen. Nur 30 km, aber die letzten hatten es ordentlich in sich! Ab Argeres-Gazost begann es bergauf zu gehen und neben uns türmten sich die ersten Gipfel der Pyrenäen auf, als würden sie uns verschlucken wollen. In dem Moment realisierte ich zum ersten Mal, dass wir uns nun wirklich in den Pyrenäen befinden - einem Ort, an dem ich niemals zuvor gewesen bin. Wenn man die steilen Wände neben sich so aufragen sieht und den Wolken vor einem dabei zuschauen kann, wie sie mir den Gipfeln spielen, wird man ganz ehrfürchtig. Das können wir leider nicht in Bildern festhalten. Auch die Anstrengung in unseren Beinen nicht, die uns zwang, alle paar Meter eine Pause einzulegen. Kurz vor Gwens Haus sahen wir noch Leuten auf einem Übungsplatz fürs Paragleiten zu. Gwen lud uns ein, in einem Zimmer ihrer Gîte zu schlafen. Eine wunderschöne Berghütte! Kann man besser eine Nacht in den Pyrenäen verbringen? Vor allem mit so einer tollen Gesellschaft! Gwen ist von Beruf her auch Guide für Outdoor-Touren in den Pyrenäen und konnte uns so allerhand erzählen. Zum Beispiel, wo man am besten Murmeltiere beobachten kann.
Der Montagmorgen (26.09.22) begann für Tilman auch gleich mit etwas Bürokratie. Nach dem hin und her mit seiner alten Krankenkasse entschloss er sich zu wechseln, und erhielt auch wie versprochen Montag früh um 8:00 Uhr einen Anruf. Zu einer humaneren Zeit gesellte sich dann auch Gwen zu uns, um mit uns zu frühstücken. Dabei brachte sie auch zwei Fotobücher ihrer vorherigen Touren mit. Als wir endlich abfahrbereit waren, begleitete sie uns noch ein Stück ins Dorf zum Postamt. Hier trennten sich unsere Wege und schon nach der nächsten Kurve hieß es für uns: Bergauf. Unser Ziel in weiter Ferne: Col du Soulor und Col d’Aubisque. Schon früh realisierten wir, dass man den Kilometer-Schildern am Wegesrand in Sachen “zu erwartende Steigung” nicht wirklich trauen kann. Und so ging es für uns in “stop and go” berghoch. Meine Beine haben selten so gebrannt und deshalb genehmigten wir uns auf halber Höhe auch erstmal eine längere Pause. Nach noch längerer Quälerei mussten wir kurz vor dem Pass noch an einer Kuh vorbei, die es sich auf der Straße gemütlich gemacht hatte. Oben angekommen gab es erstmal ein Siegerfoto :)
Aber damit nicht genug. Da es auf 1474 m doch ordentlich windet, entschieden wir uns für eine kurze Abfahrt und wieder Auffahrt, die man zwischen den beiden Pässen zurücklegen muss. Was für ein unbeschreibliches Gefühl, nach dieser Auffahrt ein paar Meter mit wunderbarer Aussicht bergab rollen zu können. Eine Herde von Kühen wollte wohl auch, das wir das noch länger genießen, und platzierte sich in der Mitte der Straße. Für diesen Ausblick, den wir die nächsten 4 km genießen durften, haben sich die Strapazen wirklich gelohnt!
Danach hieß es leider wieder bergauf zum Col d’Aubisque. Was mit gemütlichen 2% - 3% anfing, verwandelte sich schnell in gute 7% auf die restlichen Kilometer. Wir wurden häufig von Motorradfahrern motiviert und ein Belgier schoss sogar ein Foto von uns!
Um ca. 16:00 Uhr konnten wir auf dem Aubisque dann endlich sagen: Wir haben es geschafft! Aber diese Erleichterung seht ihr sicherlich auch auf den nachfolgenden Bildern.
Bergab ging es dann relativ steil, sodass wir zwischen Kurven und verlassenen Skiresorten Pausen machen mussten, um unsere Bremsen abkühlen zu lassen. Immerhin müssen diese ca. 200 kg abbremsen!
Wieder im Tal bei Laruns angekommen, trafen wir vor dem Supermarkt einen anderen Tourer-Wanderer-Kletterer aus Deutschland und gemeinsam machten wir uns auf den Weg zum Camping Municipal. Von der Abfahrt relativ durchgefroren wollten wir ein bisschen Wasser für Tee aufwärmen und bekamen dafür sogar von unseren Camping-Nachbarn einen Gaskocher ausgeliehen. Mit einer warmen Tasse Tee in der Hand wurde Toralf der erste Gast in unserem Zelt und nach langem quatschen schliefen wir fertig, aber stolz auf unsere Leistung, ein.
Wie gestern schon von unserem Zeltnachbarn angekündigt, weckte uns der Dienstagmorgen (27.09.22) mit Regen und Bergen, die sich in den Wolken versteckten. An solchen Tagen ist es besonders schwer, aus dem warmen Schlafsack zu kriechen. Umso mehr, wenn man noch den Pass nach Spanien (Col du Pourtalet) vor sich hat. Die allgemeine Motivation hielt sich in Grenzen, aber da der Regen sich irgendwann in leichtes Nieseln verwandelte, packten wir unsere sieben Sachen, verabschiedeten uns von Toralf und fuhren bergauf. Immerhin schafften wir es bis zum Intermarché 2 km später. Dort hofften wir, in der Obst- und Gemüseabteilung auf kleine Plastikbeutel für unsere Füße zu treffen. (In diesem Fall leider) ist der ökologische Wandel auch schon in den Pyrenäen angekommen und es gab nur Papiertüten… Einen Park später wurden wir fündig, und zwar in Form von Hunde-Kacki-Beuteln. Und eins kann ich schonmal vornweg nehmen: Sie taten ihren Job sehr gut! Nun aber genug mit der Trödelei, die erste Kilometeranzeige offenbarte uns: in 27 km ist das geschafft. Aufgrund des eher nassen Wetters kamen uns nur wenige Fahrradfahrer entgegen. Aber auch hier merkten wir schnell, dass die vorhergesagten Steigungen für die kommenden Kilometer nicht stimmen konnten. Unsere Beine sprachen auf jeden Fall eine andere Sprache. Bei einem kleinen Picknick-Platz nutzten wir die Regenpause, um in Ruhe unsere Zähne zu putzen. Die ersten Kilometer, ca. 1/3 der Strecke, war sehr kurvenreich und wir waren froh, dass die Autos uns vernünftig überholten. Zur Mittagszeit stellten wir uns normal in Gabas (dem letzten Dorf vor Spanien) im Vorraum einer Kapelle unter. Dort aßen wir etwas zu Mittag, ruhten uns aus und trockneten unser Zelt. Tilmas Kommentar: “Schon hier war es arschkalt”.
Der mittlere Teil der Strecke ging ziemlich gerade durch ein Tal, sodass man schon von weitem die zukünftige Stecke sehen konnte. Ganz persönlich war das mein Lieblings-Abschnitt vom Pourtalet. Es war nicht nur die sanfte Steigung, sondern auch der Ausblick.
Die letzten 10 km - und 5 km - Schilder bekamen von uns einen besonderen Freudentanz. Wir wussten ja noch nicht, wie anstrengend sie werden würden. Der Nieselregen setzte wieder ein und mit jedem Höhenmeter nahm die Temperatur ab. Auch die Landschaft wurde karger. Weniger grün, mehr Fels. Auf den letzten 3 km meinten wir sogar ein Murmeltier hören zu können, konnten aber leider nur ihre Erdlöcher sehen. Zum Schluss kam uns noch ein deutscher Tourer entgegen. Unser Ziel rückte immer näher!
Und dann… Endlich haben wir’s geschafft! Bei Wind, Regen und 6°C überquerten wir gegen 17.30 Uhr den Col du Pourtalet. Nach ca. 7,5 h bergauf belohnten wir uns mit einer heißen Schoki in einem der Lokale oben. Wir sahen wohl so verfroren aus, dass man gleich das Heizgerät näher zu uns stellte. Hier wollten wir natürlich nicht übernachten und so setzten wir uns wieder auf das Rad, um schlussendlich die Grenze nach Spanien zu überqueren. Und siehe da: Auf der anderen Seite erwarteten uns Sonne und Regenbogen :)
Die Abfahrt war gelinde gesagt: Kalt! In der Ebene bei Biscas fanden wir ein vom Wind geschütztes Plätzchen und schliefen auch sofort in unserem Zelt ein.
Am Mittwoch (28.09.22) änderten sich unsere Pläne häufig. Zuerst wollten wir nach Zaragoza. Den Plan verwarfen wir wieder, da wir uns nicht sicher waren, ob wir von Huesca nach Zaragoza auf der einen Straße mit unserem Fahrrad fahren durften. Also fuhren wir erstmal in Richtung Jaca. Auch hier hätte es 2 Optionen gegeben. Eine hätte uns über die Wüste “Bardenas reales” nach Logroño geführt und die andere nach Pamplona. Bevor wir allerdings diese Entscheidung treffen konnten, mussten wir erstmal weiter. Aber kaum aus den Pyrenäen raus, erwarteten uns die Vorpyrenäen mit heftigem Gegenwind. Ganz nach dem Motto: “Wenn schon keine Berge, dann eben Wind.” Und so strampelten wir uns bis nach Jaca - nur unterbrochen von einer kleinen Siesta. Wir fanden heraus, dass sie Bushaltestellen perfekt sind, um halbwegs windgeschützt essen zu können.
In Jaca angekommen, erfuhren wir dann mit voller Freude, dass wir heute Abend bei Yhovana von warmshowers bleiben durften. Nach tagelanger Anstrengung tut eine Dusche richtig gut. In Jaca selbst fuhren wir etwas herum. Jaca hat eine ziemlich schöne und beeindruckende Burganlage, die seit dem 16 Jahrhundert französische Invasoren aus den Pyrenäen abhält.
Im Allgemeinen hat sich die Landschaft schon ordentlich verändert auf der anderen Seite der Pyrenäen. Viel trockener und man hat das Gefühl, im wilden Westen zu sein. Zum Dorf von Yhovana ging es nochmal ein gutes Stückchen hoch, entlang eines Flugplatzes und über eine sehr unangenehme Schotterpiste. Da unsere Kartendienste in der spanischen Pampa nicht ganz up to date sind, war es uns nicht möglich, ihr Haus zu finden und so setzten wir uns auf den Marktplatz und warteten auf sie. Das Dorf war insgesamt wunderschön und schnell merkten wir, dass es hier viele Bestrebungen gibt, mehr Leute auf dem Land anzusiedeln.
Yhovana holte uns vom Markt aus ab. Nach einer kurzen Dusche quatschten wir viel und machten Abendbrot. Endlich kann ich mein Spanisch mal üben und ich freue mich schon drauf, wenn es endlich besser wird. Von Yhovana erfuhren wir, dass es eine wunderschöne Route nach Zaragoza gibt, wo am Samstag ein großes Fahrradfest stattfinden soll. Das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen und fuhren nun doch nach Zaragoza. So ist das eben mit Plänen :)
Nach einer erholsamen Nacht frühstückten wir am Donnerstag (29.09.22) noch mit Yhovana und fuhren dann den Berg runter Richtung Zaragoza. Leider hielt Spanien sein regenloses Versprechen nicht, mit dem es uns auf dem Col du Pourtalet begrüßt hat und so kam unsere Regenkleidung wieder zum Einsatz. In den Vorpyrenäen hieß es dann noch den vergleichsweise niedrigen Pass von Santa Barbara zu überqueren. Ich würde nicht sagen, dass wir das mit links gemacht haben, aber es war deutlich einfacher als die letzten Tage… Zur Belohnung kam dann auch tatsächlich noch die Sonne raus. Und da ich durch den nassen Regen und den starken Wind Kopfschmerzen bekam, machten wir eine lange Mittagspause beim Stausee “Embalse de la Peña”.
Nach der ausgiebigen Siesta am schönen Stausee ging es weiter durch die Schlucht entlang der “Mallos de Riglos”. Die Gegend durch die wir fuhren ist ein in Spanien weit bekanntes Paradies für Kletterer. Als wir so an den Hängen entlang fuhren, wussten wir auch warum. Spätestens jetzt fühlten wir uns wie im wilden Westen. An einem Aussichtspunkt trafen wir auf zwei Augsburger, die mit einem interessanten Bus unterwegs waren.
Auch im Nachhinein sind wir Yhovana sehr sehr dankbar, dass sie uns entlang dieser wunderbaren Route geschickt hat. Manchmal ist es das unerwartete, auf das man sich einlassen muss und von dem man am Ende nur träumen kann. Weiter ging es durch eine leicht hügelige Landschaft und dem schönen Dorf Ayerbe, bis wir einen gut versteckten Schlafplatz fanden. Kaum eine Wolke war am Himmel zu sehen. Wir entschieden uns den Wecker auf 2:00 Uhr zu stellen, um Sterne zu sehen, und es hat sich gelohnt!
Wie immer, wenn wir unser Zelt irgendwo aufschlagen, standen wir am nächsten Morgen früh auf und erlebten noch mit, wie die aufgehende Sonne mit den Wolken spielte. Da wir eine sternenklare Nacht hatten, war es morgens richtig kalt und wir zogen unsere warmen Sachen an. Vom Wind immer vorwärts beziehungsweise seitwärts getrieben, suchten wir einige Kilometer später hinter einem Haufen Heuballen etwas Schutz und aßen ausgiebig Frühstück.
Die Straßen führten uns immer weiter bergab und mit ein bisschen Rückenwind waren wir flott unterwegs. Schon gegen 13:00 Uhr waren wir in Zaragoza. Begrüßt wurden wir mit einer genialen Aussicht auf die Basilika.
Da die Freundin von Yhovana noch arbeiten war, machten wir's uns auf dem Platz bequem, genossen die Sonne und telefonierten ein bisschen. Danach trugen wir unser Tandem ein Stockwerk hoch zu Freunden von Carmen, duschten uns, machten kurz Mittagsschlaf und als Marta nach Hause kam, kauften wir rasch ein, um Pizza zu machen. Und so endet eine ereignisreiche und anstrengende Woche, mal sehen welche Abenteuer Spanien für uns bereithält.
Da die letzte Woche sehr viel passiert ist, hatten wir leider nicht so viel Zeit zum Schreiben. Da dies in Zaragoza nun besser ist, gibt es diese Woche wieder ein Sternbild. Diesmal ist es kein Lieblingssternbild eines Planetariers, aber dafür die Konstellation, die sich direkt über unserem Ziel befand: Das Herbstviereck. Hier in Spanien fühlt es sich nicht besonders herbstlich an, in Deutschland scheinbar umso mehr. Wie der Name schon vermuten lässt, besteht die Konstellation hauptsächlich aus vier Sternen und gehört zum Sternbild Pegasus. Pegasus ist ein geflügeltes Pferd aus der griechischen Mythologie. Am Sternenhimmel fliegt es allerdings Kopfüber und gibt ein komisches Bild ab. Um Pegasus herum befinden sich noch mehr Sternbilder, die alle zusammen eine Geschichte erzählen. Nachdem ich Euch in den kommenden Wochen alle Charaktere vorgestellt habe, kommt die Geschichte dazu :)