Diese Woche machen Ida und ich einen großen Streckensprung und genießen gleichzeitig die Aussicht vieler schöner Dörfer sowie die Monotonie des Kiefernwaldes.
Am Samstag (17.09.) hatten wir erstmal ein Ziel: die Île de Ré.
Allerdings ist alles nur halb so schön auf leerem Magen und so ging es mal wieder zur Boulangerie um eine pain au chocolat zu organisieren. Das war so lecker, dass daraus gleich 2 wurden. Viel glücklicher ging es dann weiter, in einen Stau. Zum Glück nur auf der Straße, und nach dem wir massenweise Autos auf unserer Radspur überholt hatten, fanden wir auch die Ursache: Jede Menge Urlauber, die an einer Tankstelle warteten und dabei den Kreisverkehr zuparkten. Da waren wir mal wieder froh, nicht in einer Metallkiste gefangen zu sein. Vor der Île de Ré mussten wir noch eine Brücke überqueren, und so einschüchternd sie auch wirkte, so einfach war sie dann doch hochzufahren. Nicht nur dank der Steigung, auch dank des getrennten Radwegs, der uns die Maut-zahlenden Autos vom Hals hielt.
Die Insel selbst hat eine fantastische Infrastruktur, demensprechend viele Touristen waren auch auf dem Rad unterwegs. Leider befanden sich unter ihnen viele "Schön-Wetter-Samstagsfahrer", sodass Idas Reflexe extrem auf die Probe gestellt wurden. Die Flora bestand größtenteils aus Kiefern, deren Geruch Ida an Brandenburg und Tilman an die Berge Oaxacas erinnerte.
Um Holgers "Les-plus-beaux-villages"-Challenge voran zu treiben, besuchten wir Ars-en-Ré sowie La Flotte, bemerkten aber, dass die Dörfer dazwischen mindestens genauso schön waren.
Nach einer kleinen Auffrischung und einem Power-Boost durch Macarons ging es zurück über die Brücke nach La Rochelle. Dort hatten wir über Dominique den Kontakt zu Bernard und seiner Frau. Die beiden begrüßten uns mit einem sehr leckeren Risotto und boten uns an, statt unserem Zelt ihren Campingwagen zu nutzen.
Am nächsten Morgen frühstückten wir noch gemütlich und dann ging es los, denn wir hatten noch einiges vor uns. Doch zuerst machten wir an dem nächsten Supermarkt halt, um unsere Vorräte aufzufüllen. Doch der angefahrene LIDL hatte zu! Und dann merkten wir, dass es Sonntag (17.09.) war! Einige Supermärkte haben dennoch auf, doch nur bis Mittag und so düsten wir in Richtung Intermarché, der noch ganze 45 Minuten offen hatte. Einen Haken gab es allerdings, zwischen uns und dort lag eine Fährüberquerung und da wir uns über deren Fahrzeiten unsicher waren, nahmen wir lieber die Brücke über La Charente. Selbst wenn sie steiler als notwendig und mit einem zu kleinen Fahrradstreifen ausgestattet war. Nach 6km Umweg kamen wir dann ein paar Minuten vor Feierabend an und plünderten die Süßigkeitenabteilung.
Etwas entspannter ging es dann nach Moëze, wo wir dank der Journee du Patrimoine den Kirchturm besteigen konnten, von dem man die flache Breite an Moor, aus dem die Region besteht, gut beobachten konnte.
Nachdem wir noch kurz dem den ganzen Tag gehenden Orgelkonzert zugehört haben, mussten wir aber auch weiter, denn es ging nach Brouage. Ein sehr altes Dorf mit einem sehr eigenen Baustil, aus dem damals die Entdecker stammten, die Quebec gründeten.
Doch ein "Plus-beau-village" am Tag ist und nicht genug und so fuhren wir nach Mornac-sur-Seudre. Ein kleines Dorf mit vielen Handwerkerläden, bestimmt schön zum trödeln und shoppen, doch für uns nicht besonders interessant.
Also probierten wir es mit einem dritten Dorf: Talmont-sur-Gironde. Doch bevor wir dort ankamen, entschied sich Ida spontan und ohne vorherige Absprache, den Schotter auf der Straße aus der Nähe zu inspizieren. Ihre Kniewärmer schützen sie dabei zum Glück auch vor Dreck und es blieb bei einer Schürfwunde. Ich habe in turnerischer Manier einen fantastischen Abgang mit E-Note von 9,8 vollbracht und kam ungeschädigt davon.
Nach kurzer Integritätsprüfung unserer Körperteile und des Rades musste Idas Forschung leider ein frühes Ende nehmen und wir erreichten ohne weitere Untersuchungen unser Ziel; das definitiv schönste Dorf des Tages. Wenn ihr in der Gegend seid, lohnt sich der Ausflug definitiv!
Jetzt fehlten nur noch ca. 20km zur Fähre. Ganz entspannt fuhren wir vor uns hin, denn wir hatten ja noch 1,5 Stunden bis zur Abfahrt. Schon in Royan schaute ich nach und merkte, dass die Abfahrtszeit zu dieser Jahreszeit nicht um 20:45, sondern schon um 20:15 war! Und so zogen wir uns die letzte Kraft aus unseren Beinen und düsten die letzten 3-4km mit einem 30km/h Schnitt durch die Stadt. Gerade rechtzeitig mit Ankunft der Fähre fuhren wir in den Hafen und so schafften wir es noch an dem Abend nach Le Verdon zu kommen.
Auf der anderes Seite angekommen, folgten wir ein bisschen dem EV1 (in Frankreich bekannt als die Vélodyssée), bis wir an einem Camping Municipal ankamen. Dort war keiner mehr an der Kasse und jemand meinte, wir sollen einfach morgen zahlen. Schnell war das Zelt aufgeschlagen und so ging ein ereignisreicher Tag zuende.
Am Montag (19.09.) ging es früh los, denn wir hatten noch einige Kilometer vor uns und wollten nicht zu spät ankommen. Zu unserer Abfahrtszeit war die Kasse allerdings immer noch nicht besetzt...
Danach wurde der nächste Supermarkt angefahren: ein Aldi. Vermutlich, weil hier viele deutsche Touris im Sommer unterwegs sind. Dementsprechend leer war das Dorf jetzt nach der Hauptsaison. Ida sprang schnell rein und kam einige Minuten später mit einem großen Grinsen raus: Sie hatte eine Melone gefunden. Nachdem diese von fast ausschließlich einer Person verschlungen wurde (wir zeigen nicht mit Fingern auf Leute!), ging es weiter.
Der Tag entpuppte sich als sehr monoton. Selbst die Geraden am Anfang der Tour erscheinen dagegen abwechslungsreich. Es ging in 10 bis 15km Abschnitten geradeaus zwischen Kiefern rechts und links, bog dann max. 5° ab und wiederholte sich dann. Als Beispiel hier zwei Bilder. Das zweite ist entstanden neben dem Turm, den man im ersten in der Ferne sieht.
Nach 60 oder mehr km passierte dann endlich mal was spannendes. Der Weg war gesperrt und Rauch war in der Luft. Die Frau, die neben uns angehalten hatte, meinte gestern habe man noch die Flammen wuchern sehen. Für uns hieß das dann Ausweichen auf die Autostraße, wo sich ein großer Stau aufbaute. Und so trödelten wir mit den Autos 2km ins nächste Dorf und konnten ab da wieder dem EV1 folgen. Wobei Andernos-les-Bains anscheinend wert drauf legte, so viele Kreuzungen mit Straßen wie möglich auf den Radweg zu legen.
Irgendwann, nicht zu früh und nicht zu spät, kamen wir dann bei Sylvie in Gujan-Mestras an. Nach 4 Tagen wurde, allen zu Liebe, erstmal geduscht und dann wurden wir mit Bolognese versorgt bevor wir glücklich ins Bett fielen.
Am Dienstag (20.09.) wurde ausgeschlafen und dann erstmal am Rad gewerkelt, denn wir hatten ein Paket mit einigen Ersatzteilen bekommen. Und so bekam Fermi (wie wir unser Rad getauft haben) wieder Marathon Plus Reifen.
Danach wurde durch die Gegend telefoniert, da meine Krankenkasse sich seit Anfang August in Rückrufversprechen überschlägt.
Abends kochten wir noch für die ganze Familie und so ging dann auch ein physisch erholsamer und bürokratisch anstrengender Tag zu Ende.
Genauso erholsam, dafür weniger bürokratisch, war der Mittwoch (21.09.). Es wurde wieder ausgeschlafen, gefrühstückt und dann irgendwann in Richtung Küste gefahren, denn wir besuchten die größte Düne Europas, die Dune du Pilat! Dieses Mal fuhr ich vorne und Ida navigierte hinten. Ein kleiner Wechsel, der uns half, mal die Perspektive des anderen zu bekommen. Und währen ich durch meinen Fahrstil eine schreiende Ida auf dem Hintersitz hatte, kann ich nur sagen; die Navigation hätte besser laufen können!
Und obwohl die unglaubliche Größe dieser Düne nicht in Bilder gefasst werden kann, probieren wir es hier:
Als wir abends von unserem Nickerchen ausgeruht wieder Richtung Zuhause fuhren, hatten wir noch einen touristischen Punkt auf unserer Liste. Gujan-Mestras ist bekannt für seine Austernzucht und so mussten wir unseren gewohnten Luxus von Essen auf Parkplätzen mal hinter uns lassen und uns in ein kleines Restaurant begeben, um diese zu probieren. Und während Ida einen kleinen Gefallen an ihnen fand ist mein Fazit: nicht so ganz mein Ding.
Donnerstag (22.09.) mussten wir schweren Herzens Abschied nehmen. Danach legten wir uns zurück ins Bett und schliefen noch eine Stunde (aber das müsst ihr ja nicht wissen). Irgendwann gegen Mittag kamen wir dann los und fuhren mit einem großen Paket zur Post. Die alten neuen Mäntel wurden mit jeder Menge Souvenirs (was einfach das französische Wort für Erinnerungen ist) und Geschenken an Idas Eltern verschickt. Und dann fuhren wir endlich weiter... zum Supermarkt um einzukaufen.
Gegen 13 Uhr machten wir uns endlich auf die Socken und zeigten, was unsere fitten und ausgeruhten Beine so können. Mit einem 25km/h Schnitt flitzten wir in der Ebene und trafen Daniel, der gerade seine Welttour beginnt. Nach einigen Kilometern Zusammenfahren und einer Trink-/Esspause trennten sich unsere Wege, doch wir sind sicher, dass wir ihm noch einmal begegnen werden.
Für uns verlief der Tag dann recht langweilig. Immerhin 125+km hatten wir am Ende des Tages auf dem Tacho und gönnten uns für diese Leistung einen Campingplatz, da bis kurz vor Dax das Waldbrandgefahrengebiet geht.
Freitag (23.09.) war ein anstrengender Tag, denn es ging hoch und runter und wieder hoch mit Steigungen, wo weder das eine noch das andere Spaß macht. Doch wir hatten ein Zwischenziel im Auge: Navarrenx. Ein letztes "plus-beau-village", bevor wir Frankreich vorerst mal verlassen.
Nach einigen Kilometern, die uns an eine Achterbahn erinnerten, erreichten wir es und... es war ernüchternd. Unserer Meinung nach nicht den Umweg wert.
Immerhin wurden wir vom Priester, mit dem wir uns unterhielten, gesegnet und konnten eine spontane Hochzeit gerade so noch abwenden.
Als wir uns dann bereit waren zu unseren WarmShower Gastgebern aufzubrechen, entschied sich der Himmel, dass dies der perfekte Moment für eine Dusche sei. Und so mussten wir uns nass und mit müden Beinen noch einen letzten Berg hochquälen. Bei der Abfahrt ins Tal wurden wir gleich zweimal angehalten. Das erste Mal, weil wir an den Rand der Straße mussten, um Platz für eine Kuhherde zu machen, die uns entgegen kam. Und direkt danach, weil eine besorgte Frau dachte, wir seien ganz schlimm verlorene Pilger, denn sie habe noch nie jemanden auf dieser Straße touren sehen. Nach mehreren Versicherungen, dass wir nicht verloren seien, durften wir dann weiter, wieder hoch zu Anne-Marie und Jean, bei denen wir im Regen unterkommen durften. Nach einer warmen Dusche, die besser als jede Wiederbelebungsmaßnahme wirkte, aßen wir gebratene Kartoffeln mit Schinken und Käse. Super lecker und genau richtig, fanden wir!
Und so als kleinen Vorgeschmack auf den Artikel nächster Woche, hier der Ausblick vom nächsten Morgen: