Aufgrund unserer Routenwahl - entlang des Eurovelo 1 am Kanal von Brest nach Nantes - ist diese Woche tatsächlich nicht so viel passiert. Den meisten Teil der Zeit genossen wir die süd- und mittelbretonische Landschaft und ließen unsere Gedanken mal hierhin und mal dorthin schweifen.
Aber erstmal verbrachten wir unser Wochenende noch bei Anke und Nicolas in der Nähe von Benodet . Am Samstag (10.09.) begaben sich die beiden schon früh morgens auf einen lang geplanten Segeltrip. In der Zwischenzeit begannen wir den Tag gemütlich mit einem Frühstück und einer Dusche, bevor wir auf die „Merle-Art“ zum Strand aufbrechen wollten. Für alle, die Merle nicht kennen: Sie ist Tilmans Schwester und vor nicht allzu kurzer Zeit erfolgreich von Deutschland nach Südspanien per Anhalter gereist. Unser Ziel war nicht ganz so weit weg. 5km vielleicht, aber mit müden Beinen sind 5km schon eine ordentliche Strecke. Wir hatten Glück, denn gleich das Zweite Auto hielt an und eine junge Frau nahm uns mit uns setzte uns direkt an der Strandpromenade ab. Während ich kurz was zum Snacken holen ging, freundete Tilman sich beim Blogschreiben mit einer Möwe an und taufte sie: „friendly MC Friendface“. Der Rest verlief ganz unspektakulär. Ich las ein Buch, Tilman schrieb Blog und schlief. In der Zwischenzeit kam das Meer immer näher und irgendwann, nachdem unser chill-level erreicht war, entschieden wir uns den Rückweg anzutreten. Was für uns hieß: versuchen zu hitchhiken. Diesmal brauchte es ein paar mehr Versuche, bis ein junger Mann anhielt und uns ein Stückchen in die richtige Richtung mitnahm. Den letzten Kilometer legten wir dann zu Fuß zurück. Ein bisschen Bewegung hat ja noch keinem geschadet. :) Zurück im Haus machten wir uns dann Abendbrot und diskutierten die künftige Routenplanung.
Am nächsten Morgen starteten wir den Sonntag (11.09.) mit einer keinen Spritztour auf dem Tandem zum Supermarkt. Und eins kann ich euch sagen: In fremden Ländern und Supermärkten wie den Super U kann man Stunden verbringen, wenn man etwas suchen möchte! Wieder bei Anke angekommen mussten wir feststellen, dass wir die Paprika vergessen hatten! Leider auch zu spät, um rechtzeitig wieder zum Supermarkt zu fahren… Den Rest des Tages verbrachten wir mit Wartungsarbeiten am Fahrrad, bürokratischen Kram, Tilman mit Blogeintrag schreiben, entspannen und telefonieren. Das einzige spannende was so passierte, waren die Probefahrten auf dem Tandem mit Anke und Nicolas. Zum Abendessen, pünktlich zu Hannahs Ankunft, bereiteten wie Chiles en nogada vor, was offenbar allen gut schmeckte. Und so ging wieder ein schöner Tag mit viel Essen und quatschen zu Ende.
Die Woche begann, wie immer, mit dem Montag (12.09.). Nach dem Frühstück und einem ausgiebigen Abschied machten wir uns mit dem Fahrrad auf zum hügeligen Concarneau. Dort war ich um 14 Uhr mit Anke zu einem Arzttermin verabretet, zu dem sie mich netterweise als Übersetzerin begleitete. Im Gegensatz zu Tilmans Problemen, hatte ich Frauenprobleme und wollte das so bald wie möglich abchecken lassen. Alles war gut, oder wie die Gynäkologin sagte: "Tout est bien." Offenbar überbrückte ich mit meinem Arztbesuch praktischerweise das einzige Gewitter des Tages, sodass wir den Rest trocken blieben. Von Concarneau aus ging es für uns dann entspannt an einer ehemaligen Bahntrasse entlang nach Carhaix, wo wir wieder auf den Eurovelo 1 und den "Canal Nantes à Brest“"stießen. Ein paar Kilometer später fanden wir einen netten Schlafplatz am Kanal.
Am frühen Dienstagmorgen (13.09.) verzehrten wir unser Frühstück an einem Picknicktisch – zivilisierter als sonst – und setzten unsere Reise am Kanal fort. Mehr gibt es zu diesem Tag auch nicht zu sagen… Wir konnten bestätigen, was Pierre uns schon vor einer Woche prophezeite: diese Seite des Kanals ist von der Qualität her wesentliche besser! Nur die Häufigkeit der Picknickplätze lässt zu wünschen übrig! Unsere Köpfe beschäftigten wir mit dem ersten Hörbuch von "The Expanse".
Auch am Mittwoch (14.09.) wachten wir wieder am Kanal auf. Man muss sagen, dass wir trotz seiner Schlichtheit sehr die Strecke am Kanal genossen. Es ist ziemlich flach, wenig Autos und viel Natur. Allerdings haben wie heute eine kleine Ablenkung eingebaut! Über eine Bahntrasse fuhren wir hoch zu einem der "schönsten Dörfer Frankreichs" – Rochefort en Terre. Ein sehr nettes und etwas mittelalterlich angehauchtes Dorf. Wir fanden es schön!
Wieder in Richtung Kanal unterwegs kamen wir an einer unangekündigten Baustelle vorbei, an der wir netterweise von den Bauarbeitern durchgelassen wurden. Die letzten km am Kanal bescherten uns noch das eine oder andere schöne Fotomotiv, aber seht selbst. :)
Nachdem wir schweren Herzens vom Kanal Abschied genommen hatten, ging es in Richtung Nantes, wo die lieben Anke und Nicolas uns was zum Übernachten organisiert hatten. :) Leider trafen wir hierbei auf eine nicht so schöne Bahntrasse, die diesen Namen echt nicht verdient hat. Schon gar nicht im Dunkeln.
Dafür überraschte uns Nantes mit einer sehr fahrradfreundlichen Infrastruktur und so kamen wir nach kilometerreichen und ereignislosen Tagen in Nantes bei Alix und ihrem Mann an.
Am Donnerstag (15.09.) wollten wir uns Nantes nochmal genauer ansehen. Und so ging es für uns zu Fuß in die nahegelegene Innenstadt. Unser erstes Ziel war die Kathedrale von Nantes. Leider mussten wir feststellen, dass die geschlossen war. 2020 sind mehrere Feuer ausgebrochen und haben einiges an Innenleben zerstört. Dazu zählen auch etliche Fenster, in deren Halterungen Blei verarbeitet war. Durch das Feuer hat sich der giftige Stoff in der ganzen Kirche ausgebreitet und sie wird so lange geschlossen bleiben, bis alles von den giftigen Bleipartikeln befreit ist.
Für uns ging es also weiter durch die schönsten Gassen von Nantes zu einer Basilika. Die Stille in ihr war super beeindruckend, insbesondere dann, wenn man gerade vom lauten Straßenlärm reinkommt.
Nantes überraschte uns auch mit einer gut erhaltenen Burg, die unter anderem von Anne de Bretagne in Auftrag gegeben wurde. Nantes gehörte nämlich mal zu Bretagne und stand in alten Zeiten auch mal mit Rennes auf dem Kriegsfuß, wer Hauptstadt der Bretagne sein sollte. Heute gehört Nantes offiziell nicht mehr zum Verwaltungsbezirk der Bretagne. Trotzdem sieht man überall noch die bretonischen Flaggen. Wir kletterten auf die Mauer und hatten einen schönen Blick auf die Stadt. Bei einem grünen Platz bemerkte Tilman: "Ein Paradies für Stadtplaner".
Da Kirchen immer eine schöne Ruhe ausstrahlen, war die nächste auch schon in unserem Programm.
Danach ging es zu meinem persönlichen Highlight des Tages: dem Planetarium in Nantes. Auf dem Weg dorthin spazierten wir an der Loire entlang und fanden einige gut gemachte grüne Flecken zum Entspannen vor. Die Stadt gefällt uns immer besser!
Entlang der Loire befindet sich eine Stelle, wo die Namen alle Schiffe die damals von Nantes aus mit Sklaven in alle Welt lossegelten, eingelassen sind.
Die Website des Planetariums gab uns leider wenig Aufschluss über die Öffnungszeiten und Programme und so mussten wir mal wieder unser Glück versuchen und standen vor einem geschlossenen Planetarium. Aber wie es der Zufall so will, war eine Tür offen und wir versuchten es einfach. Eine Frau kam uns direkt entgegen und Tilman hatte kaum in einem Satz erklärt, wer wir sind, da meinte die Frau schon auf Englisch: "Ah, ihr seid die beiden Radfahrer. Wir haben eine E-Mail vom Planetarium der Bretagne bekommen. Ich stelle euch jemanden vor." Dass wir schon so bekannt sind, damit haben wir gar nicht gerechnet. :) Wir wurden Vincent vorgestellt, der uns stolz deren Software zeigte und was er damit schon alles gebastelt hat und ich muss sagen, ich bin echt super beeindruckt von der Vielfalt und der Handhabung der Software. Sowas brauchen wir auch! Leider ist die Software nur in französisch. :( Wir quatschten viel und hatten so einige erhellende Momente. Hier nur einige davon:
- Die Geschichte, wie der große Bär zu seinem langen Schwanz kommt, steh gar nicht so in der Mythologie.
- "Septentrional" = auf französisch "nördlich", kommt von "sept", also "sieben" und rührt daher, dass man mithilfe des großen Wagens, der sieben Sterne hat, den Norden finden kann.
- Aachen, oder auf französisch: Aix-la-chapelle, war für eine kurze Zeit unter Karl dem Großen, die Hauptstadt von Frankreich
- der Mensch, der die Website mit der Database aller Planetarien pflegt arbeitet im Planetarium in Nantes. Es gibt auch eine lustige Anekdote dazu. Offenbar bereiste ein Bekannter Peru und entdeckte im Keller eines größeren Hotels ein Planetarium. Freudestrahlend erzählte er den Leuten aus Nantes er habe ein neues Planetarium für die Database gefunden . Er bekam die Antwort zurück: " Ach, da gibt es noch ein viertes Planetarium?!" Natürlich befand sich dieses Planetarium schon in der Database :-) https://www.aplf-planetariums.org/en/
Außerdem hat das Planetarium viele Modelle von verschiedenen Raumfahrtmissionen und Rovern. Das coolste Exponat überhaupt: Das große öffentlich ausgestellte Stück Cherlyabinsk! Die Mitarbeiter aus dem Planetarium der Bretagne haben uns das schon angekündigt, aber das Stückchen Weltall aus der Nähe zu sehen, was schon sehr beeindruckend! Vor vielen vielen Jahren wurde hier auch noch das ZKP2 genutzt - das Modell, welches Anfang dieses Jahrs auch im Planetarium Potsdam zu finden war. Heutzutage wird ein digitales System mit französischer Software genutzt. Wir quatschten noch viel und bekamen noch den einen oder anderen Touritipp für die Region und machten uns danach auf den Rückweg. Wieder am Haus angekommen, kochten wir Abendbrot für alle und quatschten noch ziemlich lange.
Am Freitag (16.09) machten wir uns gegen 11 Uhr wieder auf den Weg. Die ersten 20km aus Nantes raus vergingen wie im Flug! Nantes ist wirklich eine ziemlich fahrradfreundliche Großstadt und wir werden sie vermissen. Wie Alix schon angekündigt hatte, veränderte sich heute nicht nur die Landschaft (wesentlich flacher als die Bretagne), sondern die Häuser wurden auch etwas anders. Weniger aus Naturstein gebaut, meistens etwas flacher und mit roten Dächern. Interessante und gut erhaltende Kirchen finden sich hier auch. :) Tilman war so guter Laune, dass er sogar eine Gruppe Kinder am Straßenrand dazu motivieren konnte, für uns eine La-Ola-Welle zu machen. Das lag vielleicht auch nur daran, dass er erleichtert war, endlich die Postkarten, die wir schon seit der Normandie mitschleppen, bei la poste abzugeben. Abends trudelten wir bei Tatjana (über welcometomygarden) ein.
Die Sternenkonstellation der heutigen Woche ist: „der kleine Hund“. Das Lieblingssternbild von Vincent aus dem Planetarium in Nantes. Es braucht schon viel Fantasie, um in dem aus nur 2 Sternen bestehenden Bild, einen Hund zu erkennen. Seine Prominenz in den Geschichten der Sterne verdankt es dem hellsten Stern: Prokyon, welches der 7. Hellste Stern am Sternenhimmel ist. Zusammen mit dem in der Nachbarschaft liegenden hellsten Stern am Himmel - Sirius - folgen die beiden Hunde (Prokyon - der kleine und Sirius - der große) dem Jäger Orion.
Das Ziel unserer nächsten Woche: Richtung La Rochelle und Bordeaux - die Pyrenäen und damit auch Spanien rücken immer näher! Also falls ihr jemanden in Spanien kennt, meldet euch ruhig bei uns - vielleicht schaffen wir es da vorbeizuschauen.
Bis dahin!
Tilman & Ida