Der heutige Tag begann mit einem nassen Zelt: nachdem wir es gestern, kurz vor einem starken Schauer, zum Trocken rausgelegt hatten, mussten wir heute morgen das klitschnasse Zelt wieder einrollen. Mittendrin in der unspaßigen Aufgabe überraschte und mein Onkel Berni, der uns mit Karte und Beschreibung ausfindig gemacht hatte und der uns gerne einen Tag mit E-Klapprad und Anhänger begleiten wollte. Da haben wir uns natürlich gefreut!
Aufregungsarm fuhren wir durch idyllische, ländliche Landschaften, vorbei an Gehöften, kleinen Dörfern, großen Feldern und malerischen Kirchen. Nach einiger Zeit machten wir am höchsten Punkt eine Frühstückspause - Berni hatte Brot, Käse, Wurst und weitere Leckereien eingepackt!
So gestärkt und auch mal auf dem ungewohnt hohen E-Bike (Berni machte sich ganz gut auf dem Tandem) strampelten wir weiter durch das heute wieder erstaunlich flache Bayern, bis wir nach knapp 80 Kilometern in Erding ankamen. In die Therme gingen wir hier zwar nicht; stattdessen entspannten wir bei einem leckeren Eis in der Innenstadt (tatsächlich, schändlicherweise, unser erstes Eisdieleneis der gesamten Tour!).
Dann trennten sich unsere Wege: Berni fuhr zum Hotel, wir - was auch sonst - nach Neukirchen! Heute nach Bockhorn-Neukirchen, nur knapp vier Kilometer weiter. Hier waren wir mit Sepp verabredet, auf den wir allerdings ein bisschen warten mussten. Also saßen wir neben der etwas heruntergekommenen Kirche an einem Bach, kraulten einen total freundlichen Hofhund, beschauten und die paar Neukirchener Höfe und freuten uns unseres Lebens und der angenehmen Sonne.
Bald schon kam Sepp und erklärte uns, dass es hier nur 21 Einwohner gebe: bis morgen ist dies also das kleinste Neukirchen, auch mit nur einem grünen Ortsschild.
Mit einem riesigen, dreihundert Jahre alten Schlüssel wurden wir in die Kirche gelassen, die schon seit anderthalb Jahren nicht mehr genutzt oder geputzt wurde. Dementsprechend viele Spinnweben waren überall zu sehen, aber gerade das machte die Kirche auch zu einem irgendwie sagenumwobenen Ort.
Ich konnte dann sogar das Harmonium ausprobieren, was ich noch nie gespielt hatte. Sogar mit Tilman zusammen: Tilman trat den Blasebalg, ich klimperte eine Melodie: davon wurde dann direkt ein Video aufgenommen.
Danach fragte Tilman, ob wir möglicherweise auf den Kirchturm könnten, und dann wurde es wirklich abenteuerlich. Über schräge Leitern, winzige Durchgänge und wackelige Streben durften wir hinter Sepp hinaufsteigen, was (mich zumindest) einiges an Überwindung gekostet hat. Am Ende, neben den Glocken und mit Blick nach unten, hat es sich aber gelohnt, durch die Spinnweben zu kriechen - das war ein Erlebnis, das ich so noch nie hatte, Adrenalin pur!
Nach der Besichtigung zeigte Sepp uns unser Schlafgemach, auf dem Dachboden einer 120 Jahre alten Scheune im Stroh: auch hier konnte man nur mit (stabiler wirkender) Leiter hochklettern, ein phänomenaler Übernachtungsort!
Sepp musste dann weg zum Treffen der Ortsfeuerwehr, wir bauten das einigermaßen trockene Innenzelt auf, ließen das Außenzelt in der Abendsonne trocken und machten einen schönen Spaziergang um Neukirchen, wo wir die örtlichen Schafe besuchten, Biberspuren entdeckten und die tolle Landschaft genossen.
Kaum waren wir zurückgekehrt und hatten unsere Vorräte für ein kleines Abendessen ausgepackt, kam auch Sepp zurück, der uns erst mit einer warmen Milch und dann mit Kaltgetränken versorgte.
Mit ihm unterhielten wir uns dann tatsächlich noch richtig lange total nett: über Leben und Aufwachsen in Neukirchen, Kommunal- und Verkehrspolitik, Dorffeste (zum nächsten kommen wir vorbei!) und die tolle Möglichkeit, einfach mal 6 Wochen freinehmen zu können und - quasi unbeschwert - in den Tag hinein zu leben.
Außerdem hat Tilman einen Ausbildungsplatz zum Schweißer organisiert, das freut ihn auch sehr in Bezug auf die zahlreichen seltsamen Fahrräder, die er noch bauen will - ein Liegetandem ist nichts dagegen!
Schon wieder schreibe ich diesen Blog nach dem Einschlafen und erneuten Aufwachen. Immerhin muss ich jetzt keine Fotos hinzufügen, mit dem hiesigen Internet kann ich froh sein, wenn der Text hochgeladen wird!
Allerdings habe ich nur noch 4 Prozent Akku - so werde ich gleich noch mal die Treppe hinunter steigen, das Handy an den Strom anschließen, und gucken wann Tilman mich morgen weckt.
Ich bin gespannt (und hoffe natürlich, dass es nicht zu früh wird)!