Im Gegensatz zu gestern fuhren wir heute tatsächlich sehr früh los. Das lag einerseits daran, dass man im September im Zelt nicht so gemütlich schläft wie in einem warmen Pfarrheim, hauptsächlich aber daran, dass wir heute einiges vorhatten. Nachdem die beiden Mitzelter noch eine kurze Runde auf dem Tandem mitgefahren waren, und wie erwartet völlig begeistert waren, fuhren wir aus Neustadt Richtung Nordosten. Das sorgte dafür, wir erstmals im Norden so richtig Rückenwind hatten.
Unser erster Halt, wie so oft, war eine Bäckerei, wo wir uns mit einem großen Zimt-Marzipan-Zopf verpflegten. Dann aber war Neukirchen-Zeit: vom Rückenwind geschoben fuhren wir nach Neukirchen in Ostholstein. Hier wurden wir von Bürgermeister Bernd Bruhn empfangen, das Tandem wurde erst mal abgestellt, und wir setzen uns ins Auto (!), mit dem wir zuerst zur Ortskirche etwa 200 Meter weiter fuhren.
Wer sich jetzt im Vorurteil bestätigt sieht, dass auf dem Land wirklich alles mit dem Auto gemacht wird, muss im weiteren Verlauf des Blogs aber leider enttäuscht werden. An der Kirche begrüßte uns der Pfarrer und zeigte uns in einer lustigen und interessanten Führung sehr viel Sehenswertes in der Kirche. Die Kirche war über die Jahrhunderte immer wieder erweitert worden, und sah jetzt dementsprechend zusammengewürfelt aus.
Das führte dazu, dass man aus einigen Bereichen den Altar nicht sehen konnte: verständlicherweise ein beliebter Aufenthaltsort für die Konfirmanden. Es gab eine kleine Kinderkirche mit selbst angemalten bunten Stühlen und eine Empore für die Gutsherren-Familien, die maßgeblich die Kirche mitfinanzieren. Das hatten wir zwar schon einige Male gesehen, neu war hier, dass einige Familien anscheinend immer noch Wert auf ihre Loge lebten und dort am Sonntag und Heiligabend oben über den anderen Kirchenbesuchern Platz nehmen.
Eine weitere Besonderheit der Kirche ist die fast vollständig erhaltene mittelalterliche Bemalung im Altarraum, in der als besonderes Highlight ein Höllenschwein die Menschen in seinen Schlund hineinzieht.
Interessant war dann auch die Turmführung. Wir hatten ein bisschen die Lautstärke der Kirchenglocke unterschätzt, die uns beim Viertelstundenschlag ordentlich die Trommelfelle durchwirbelte. Dafür konnte ich dann noch ein schönes Foto von Tilman machen, wie er ganz oben auf der Kirche steht!
Der eigentliche Grund für das Auto zeigte sich jetzt: wir fuhren nach Ostermade, einen Stadtteil von Neukirchen, direkt an die Ostsee. Im Campingplatz-Restaurant wurden wir zu einem leckeren Mittagessen eingeladen und unterhielten uns dabei mit Herrn Bruhn über die Herausforderungen für den nicht besonders wohlhabenden Ort, der hauptsächlich vom Campingtourismus lebt. Während wir da so saßen, begann es plötzlich zu stürmen und zu regnen, beste Bedingungen für eine baldige Abreise.
Die traten wir dann, trotz der widrigen Umstände, an, den wir wollten am Nachmittag im nächsten Neukirchen bei Malente ankommen.
Durch den Monsun (für die jüngere Generation: entschuldigt den fürchterlichen Ohrwurm), der sich als Nieselregen herausstellte, und gegen den Wind fuhren wir durch eine erstaunlich hügelige Landschaft nach Neukirchen.
Und hier wurden wir dann für die Strapazen der Anfahrt mehr als entlohnt. Zuerst mit einem großen Empfang am Feuerwehrhaus, dann mit einem richtig schönen Tag! Vor allem anderen wurden wir aber von einer Journalistin vor das Ortsschild kommandiert, wo plötzlich - wie aus dem Nichts - die dichte Wolkendecke aufbrach und den Blick auf einen strahlend blauen Himmel freigab.
Kurz darauf starteten wir dann auf eine ganz besondere Ortstour. Auf dem Treckeranhänger wurden wir um den Dorfsee und durch das ganze Dorf gefahren, immer mit ortskundiger Begleitung. Eng getaktet wurde uns danach die schöne Feldsteinkirche mit ungewöhnlichem, rundem Turm gezeigt. Als Besonderheit hier fiel uns die Tafel auf, die an die Toten eines deutsch-dänischen Krieges erinnerte: aus irgendeinem Grund hatten wir das in Bayern nicht gesehen!
Dann wurden wir zügig wieder in Richtung Feuerwehr geleitet: hier wurden zahlreiche Speisen gereicht, guter Norddeutscher Kartoffelsalat mit ordentlich Mayo, Würstchen, verschiedene weitere Salate, Käse, Frikadellen - wir fühlten uns rundum sehr gut versorgt, und auch für die etwa 11 (wir sind uns gerade nicht ganz sicher) Personen aus Neukirchen, die mit uns am Tisch saßen, war mehr als genug da.
Dabei unterhielten wir uns auch noch nett, sodass wir einen richtig tollen Abend hatten, und einen schönen Einblick in das aktive Dorfleben. Der ganze Aufenthalt war zwar sehr intensiv und viel, aber natürlich auch sehr interessant - vielen Dank an Rolf Ruseler, der das alles organisiert hat!
Tilman versackte dann noch etwas bei der Technik des Feuerwehrautos, bevor wir relativ spät den Weg zu unserer Unterkunft antraten.
Und das war eine Ferienwohnung von Marion und Heinrich Bock, die sie uns für eine Nacht zur Verfügung stellten. Da waren wir natürlich begeistert - echte Betten! Dusche! Wohnzimmer! Wir wissen gar nicht, wie wir uns da bedanken können.
Fröhlich, warm und erschöpft schlief Tilman ein, während ich noch Blog schrieb, dabei auf dem Sofa einschlief, und mich am Ende nur mit einiger Mühe ins Bett bugsieren konnte.