Nachdem wir gestern in gewöhnlicher Selbstüberschätzung getönt hatten, ein Frühstück um 8 Uhr sei für uns überhaupt kein Problem, kam es, wie es kommen musste: pünktlich um 7:55 Uhr sprangen wir hektisch aus den gemütlichen Betten, warfen uns in die Klamotten - die Auswahl ist ja nicht so groß - und rannten die Treppe hoch zum Frühstück. Hier warteten schon unsere Gastgeber und ein weiteres Ehepaar aus Neukirchen mit einem umfangreichen Frühstück, drei große Bretter voll mit Käse, Wurst und Räucherfisch. Außerdem ein Berg Brötchen, der unbezwingbar schien, von dem wir am Ende aber die gar nicht mal so großen Reste zum Mittagessen verspeisten.
Wir waren wohl hungrig, und das Frühstück dauerte auch relativ lang, denn wir unterhielten uns gut über das Leben in Neukirchen und besonders die spannenden Hausbaugeschichten. Das Bauamt scheint in den letzten Jahren etwas strikter geworden zu sein ...
Da wir vor dem Frühstück überraschenderweise nicht gepackt hatten, holten wir das nach dem Frühstück nach. Dabei ließen wir auch Unmengen an Süßigkeitenverpackungen verschwinden, die wir am letzten Abend - besonders ich, während des Blogschreibens - verzehrt hatten. Da war uns der Umfang des Plastikmülls schon ein bisschen peinlich!
Vielen Dank an dieser Stelle noch mal an Ehepaar Bock, die uns neben der tollen Ferienwohnung und dem leckeren Frühstück auch eine riesige Schüssel an Snacks hingestellt hatten!
Als wir schließlich fertig gepackt hatten, warteten schon die vier am Rad und schauten uns beim Rad-Bepacken über die Schulter. Trotz dieses Drucks waren schlussendlich alle Packtaschen am gewohnten Ort, und wir waren bereit, zu fahren.
Schon etwas wehmütig verließen wir das drittletzte Neukirchen, wo es wieder richtig schön war, und machten uns auf den Weg in den hohen Norden.
Und das, ganz passend, mit unangenehmem Wetter: durchgängig grauer Himmel und Dauerregen begleiteten unseren Weg Richtung Kiel. Die Landeshauptstadt geht in Bezug auf die Fahrradwege nicht gerade mit gutem Beispiel voran; auch wenn wir schon deutlich schlimmere Städte befahren durften. Kiel war allerdings zusätzlich zum normalen Stadtstress auf unserer Route auch noch unglaublich hässlich, und wir musste beide recht dringend pieseln, also waren wir extrem froh, als wir die Stadt endlich hinter uns lassen konnten.
Erleichtert fuhren wir gen Norden über den Nord-Ostsee-Kanal, über eine dieser hohen Brücken, die man als Fahrradfahrer sonst nur aus Tälern von unten sieht (und flucht: die Autos können eben fahren, während den Fahrrädern die unangenehmen Steigungen natürlich zugemutet werden können).
Später kam dann gleich die zweite coole Brücke des Tages, so viele hatten wir noch nie! Die zweite Brücke, über die Schlei, war eine Klappbrücke, die auf nur einer Spur von Autos, Fahrrädern und Schienenverkehr verwendet wurde! Das machte das Fahrradfahren natürlich ein bisschen gefährlich, da man mit dem Rad lieber nicht in Schienen fahren will - trotzdem war die Überfahrt ein tolles Erlebnis.
Nach einigem Radeln, unter anderem auch durch Eckernförde, erreichten wir Neukirchen, wo wir direkt bei der Ortseinfahrt und bei dem obligatorischen Ortsschildselfie von einer Nachbarin angesprochen wurden. Sie wusste schon bereit, beguckte neugierig unser Gefährt und wies uns dann den Weg zu Herrn Carstensen, der im Gemeinderat sitzt und für uns "zuständig" war. Seine Frau und er vermieten Ferienwohnungen, und sie stellten uns eine zur Verfügung. Was für ein luxuriöses Ende der Reise, zwei Mal in Folge mit echtem Bett!
Bevor wir da hineinfielen, wollten wir aber natürlich noch Neukirchen kennenlernen.
Davor unterhielten wir uns noch mit einem Journalist einer Flensburger Zeitung, und fuhren für ein Foto viele Male an dem Ortsschild vorbei, dann wurde uns die Kirche gezeigt.
Eine wirklich neue Kirche! Vielleicht die neueste, da müsste ich noch mal nachschauen - im kommenden Jahr wird sie 400 Jahre alt. Die Kirche war trotz ihres geradezu jugendlichen Alters ziemlich schön, mit einem hübschen Flügelaltar und vor allem einem Blick direkt auf die Ostsee!
Obwohl uns das Wetter nicht davon überzeugen konnte, noch ins Wasser zu gehen, wollten wir uns den Strand natürlich nicht völlig entgehen lassen und liefen deshalb den Weg hinter der Kirche zum Strand herunter. Ohne Baden, ohne Sonne und in Anbetracht der Möglichkeit, bald zu duschen, beschränkte sich unser Aufenthalt aber auf wenige Minuten.
Mit Herrn Carstensen ging es zurück zur Ferienwohnung, und nachdem wir uns vom gröbsten Schmutz befreit hatten, liefen wir zum kleinen Saal hinüber. In dem Raum saßen schon – neben Herrn Carstensen und seiner Frau – zwei weitere Ehepaare, die schon seit vielen Jahren in Neukirchen leben und sich im Dorf engagierten. Die eine Nachbarin hatten wir auch am Ortsschild schon getroffen!
Während wir dann lange schnackten und dabei von Thema zu Thema flogen (Tourerfahrungen, E-Autos, Dorfentwicklung, Leben in Mexiko, Probleme mit Tourismus, Radfernwege, Bauplätze, die von alten reichen Ehepaaren gekauft werden, die sich nicht mehr im Dorf einbringen, Auflösung der Feuerwehr, etc.), verspeisten wir auch noch große Teile eines riesigen Topfes mit Suppe.
Auch als wir nicht mehr konnten, wurde weitergeredet, dann auch nicht mehr mit vollem Mund. Um uns diese Möglichkeit der Unhöflichkeit auch weiterhin offenzulassen, wurden nun die süßen Snacks rausgeholt.
Bei den Gesprächen über unsere Zeit in den neuen Bundesländern erzählten wir, dass Tilman mir dort unter anderem Hallorenkugeln gezeigt hätte. Und siehe da, mein vorausschauendes Kaufen von gleich drei Packungen war von Vorteil gewesen: Eine war noch da, und so konnten wir auch etwas „Exotisches“ zum Süßigkeitentisch beitragen.
Dieser letzte gemeinsame Tourabend hatte mal wieder viel von dem, was die Tour für uns so außergewöhnlich gemacht hat: Viele nette Menschen, die uns bei sich aufnehmen, als würden wir dazugehören. So wurde uns wieder und wieder ermöglicht, Einblick zu nehmen in das Leben, die Vorzüge, aber auch die Probleme, von diesen tollen kleinen und größeren Gemeinden. Voller Eindrücke, mit vollen Mägen und einem gemütlichen Bett schliefen wir dann ein, und dieser Blog musste noch einige Tage warten, bis er endlich veröffentlicht wurde.