Es heißt ja so schön: "Besser später als nie". Deshalb kommt mit 2 Tagen Verspätung endlich der neue Blogeintrag :-)
Diese Woche ist sehr viel passiert und wir hatten - genau wie die normannische Landschaft auch - unsere Höhen und Tiefen. Doch einen Satz haben wir diese Woche wiederholt zu hören bekommen: "Bon courage!" - guten Mut! Ob es nun Menschen im Auto waren, die an uns vorbeifuhren und es uns durch das offene Fenster zuriefen oder Leute am Wegesrand - Jedesmal gab es uns einen neuen Motivationsschub und lehrte uns die Gastfreundschaft und den Enthusiasmus der Nordfranzösischen Bevölkerung. Und nun: Seid gespannt auf unsere erste richtige Woche in Frankreich!
Mit dem Ende des letzten Blogs habt ihr euch sicher gedacht: Jetzt kann ja nichts mehr schief gehen - die beiden sind wieder in Lille und das Paket mit dem Gepäcktrager ist ja auch da. Haben wir auch gedacht... Mal wieder haben wir uns geirrt! Unser Freitag (19.08.) fing früh an. Wir schleppten alle unsere Sachen in die Eingangshalle vom Haus. Während Tilman und Marguerite sich mit dem Tandem zum Shop aufmachten um das Paket abzuholen, wartete ich gemütlich und las ein bisschen in unserem Fahrradbuch. Nach ziemlich langer Zeit kam Tilman dann, zusammen mit einem großen Paket auf dem Rücksitz zurück und erklärte mir, warum es im Paketshop solange gedauert hatte: Im Gegensatz zu aller Vernunft wurde dort das Paket nicht auf den Namen von Marguerites Papa abgespeichert, sondern unter dem Namen der (immer noch falschen) Straße. Wir packten also in der Eingangshalle das Paket mit dem neuen Gepäckträger und den Lowriders aus und begannen mit der Demontage des alten Gepäckträgers. Soweit lief alles zu unserer Zufriedenheit. Die neuen Probleme eröffneten sich erst, als wir die Lowriders befestigen wollten. Zum einen fehlte uns eine Verbindungsstange, welche die beiden Seiten unterhalb miteinander verbindet und somit für mehr Stabilität sorgt. Zum anderen ließ sich die eine Schraube partout nicht rausdrehen. Nach etlichen Versuchen und Flüchen auf diese hartnäckige Schraube, entschieden wir dann zu der nahgelegenen Autowerkstatt Midas (Av. de Flandre, 59700 Marcq-en-Barœul) zu fahren, bei der wir Tage zuvor schon versucht haben den Gepäckträger schweißen zu lassen. Dieses Mal konnten sie uns vor Ort allerdings helfen :) Mit viel Begeisterung machten sich 3 Leute daran einen Weg zu finden die hartnäckige Schraube zu lösen. Und tatsächlich: Mit einem Spezialwerkzeug gelang es ihnen und sie ersetzten die alte Schraube durch eine neue. Ein Problem war also schonmal behoben. Für die fehlende Verbindungsstange hatten wir uns schon überlegt einen Teil vom alten Gepäckträger zu recyceln und mit der Hilfe und der Ingenieurskunst der Mechaniker vor Ort konnten wir diese Idee auch tatsächlich in die Realität umsetzen! Dafür geht unser unbeschreiblicher DANK an das Team vom Midas in Marcq-en-Barœul! Das Resultat könnt Ihr in den folgenden Fotos sehen:
Gegen 11:00 konnten wir also unsere Reise endlich fortsetzen. Unser nächstes Ziel: Bergues. Warum so ein kleines Örtchen, fragt Ihr euch sicher? Dann empfehlen wir euch den Film Willkommen bei den Sch'tis (franz.: Bienvenue chez les Ch'tis). Zwischendrin führte uns unsere Route allerdings noch ein letztes Mal durch Belgien und auf Sonjas Rat hin, nahmen wir uns dann die Zeit um noch eine belgische heiße Schokolade zu genießen! - ein sehr guter Rat! In einem belgischen Dorf durften wir dann auch noch Zeugen eines Autorennens durch die kleinen Straßen werden. Schon von weitem hörte man das Durchdrehen der Motoren und wir fragten uns, wer da gerade so abgeht und warum mitten in der belgischen Pampa so viel Lärm ist. In Mesen angekommen, sahen wir dann, dass die Ypres Rally schon in volle Gang war. Am Startpunkt versuchten wir uns auch mit einzureihen, allerdings wurde uns die Teilnahme verweigert :( - Manchmal werden unsere Drift-Künste etwas unterschätzt! Also fuhren wir weiter Richtung Bergues. Pünktlich mit unserer Ankunft in Bergues begann es auch zu regnen, und so setzten wir uns unter einen großen Pavillion und verzehrten unser Abendbrot. Nur einige Wochen zuvor verlief hier die Tour de France. Da es langsam Abend wurde, fuhren wir weiter um noch ein nettes Schlafplätzchen für uns zu finden. Sehr entspannt fuhren wir die letzten Kilometer an einem Kanal entlang, bis wir zwischen Wald und Feld einen schönen Ort fanden um das erste Mal auf dieser Tour wildzuzelten. Der Ausblick aus unserem Zelt sagt: Es hat sich gelohnt! :) Und so schliefen wir glücklich und zufrieden ein!
Unser Ziel für den Samstag (20.08.) war das Cap Gris-Nez. Bis dahin hatten wir allerdings noch den einen oder anderen Hügel vor uns und trafen auf eine junge Familie, die gerade mit ihren Fahrrädern auf Brombeersuche war. Da wir ein kleines Stückchen den selben Weg teilten, kamen wir mit Ihnen ins Gespräch. Die beiden Eltern haben sich damals nämlich auch ein Tandem gekauft und hatten etwas ähnliches vor, wie wir gerade. Allerdings wurde zum selben Zeitpunkt ein altes Bauernhaus verkauft und da sich die beiden in die Gegend um Calais verliebt hatten, entschlossen sie sich, lieber das Haus zu kaufen, als die Tour zu machen. Nach einer Weile trennten sich unsere Wege und wir fuhren, an vielen Bunkern vorbei, zum Cap Gris-Nez. Dort erwartete uns neben dem einen oder anderen Touristen auch eine wunderbare Aussicht! Offenbar hatten wir auch extrem Glück mit dem Wetter und konnten die Klippen auf der gegenüberliegenden englischen Seite sehr gut sehen.
Auch hier zogen wir mit unserem ungewöhnlichen Fahrzeug ein bisschen Aufmerksamkeit auf uns und wurden von einem jungen Paar angesprochen, welches auch überlegt sich ein Tandem zuzulegen. Für uns ist weiterhin klar: das Tandem hat den krassen Vorteil, dass man die Reise wirklich zusammen machen kann. Im Gegensatz haben wir schon häufig Leute gesehen, die einige hundert Meter auseinander fahren, weil die Fitness einfach von Person zu Person variiert. Das Cap Gris-Nez ist allerdings nicht nur für seine tolle Aussicht auf die englischen Klippen bekannt, sondern auch bei Zugvögeln sehr beliebt. Jedes Jahr nutzen Zugvögel die schmale Passage zwischen Großbritannien und dem europäischen Kontinent. Ähnlich wie die Zugvögel, wollten wir auch bald unsere Reise fortsetzen. Weitestgehend folgten wir der Eurovelo 4 entlang der Küste und machten zwischen den Dünen am Strand eine ausgiebige Mittagspause am Pointe du Nid de Corbet
Unsere nächste Station: der L.Eclerc Supermarkt. Tilmans Rezension: "Extrem voll und super anstregend!". Anderer Meinung war eine Gänse-Gang, die gemütlich Ihren Spaziergang auf dem Riesenparkplatz machte. Noch einige Kilometer später trafen wir dann auf einen amerikanischen Kriegsfriedhof in der Nähe von Étaples. Super beeindruckend, wenn man von oben auf die zehntausende von weißen Grabsteinen blickt. Alles junge Menschen, die überwiegend im ersten und einige im zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren. Da wird einem gleich ganz anders...
Da auch langsam die Sonne sich dem Horizont nährte, machten wir uns auf die Suche nach einem netten Schlafplatz und hatte auch gleich die nächste Premiere auf dieser Reise: Im Garten von Menschen am Wegesrand. Bei dieser Art zu zelten, schauen wir nach Menschen, die sich gerade noch in ihrem Vorgarten befinden und nett aussehen. Dann fragen wir höflich, ob wir unser Zelt in ihrem Garten für eine Nacht aufschlagen dürfen. Wir haben alles an Essen und trinken dabei und sind am nächsten Morgen auch schon wieder raus. Dieses Mal nahm uns eine Familie mit zwei kleinen Jungen auf. Während wir unser Zelt aufbauten, spielten die beiden noch im Garten. Hier wurde mir wieder bewusst, wie einfach es ist mit Kindern zu kommunizieren. Man braucht gar keine Sprache! Die Mama war auch sehr neugierig und wir (eher Tilman als ich) unterhielten uns ein bisschen mit ihr auf französisch.
Am Sonntagmorgen (21.08.), bauten wir unser Zelt wie versprochen schon sehr früh ab, hinterließen eine kleine Dankesnachricht und fuhren los. An einem kleinen Rastplatz mit Picknicktisch gönnten wir uns dann unser Frühstück- Falls ihr euch fragt, was man in Frankreich so auf Fahrradtour zum Frühstück ist: 1kg Quark (fromage blanc) - kleinere Mengen gibt es wohl nicht - und die letzten Schoki Überreste aus den Niederlanden.
Unsere Morgentoilette machten wir dann mit Erlaubnis auf einem nahe gelegenen Campingplatz. An diesem Tag fuhren wir wieder etwas weg von der Küste Richtung Innenland und lernten so langsam die Normandie kennen. Zum Beispiel den einen oder anderen Hügel. Außerdem fuhren wir an Feldern vorbei, wo in ganz ordentlichen Reihen irgendwelche Pflanzen aufgereiht waren. Erst später erfuhren wir, was es genau war. Aber erstmal die Mittagspause: Wir suchten uns eine schöne Wiese, wo wir unser Zelt trocknen lassen konnten und telefonierten etwas mit Sonja. Am Abend versuchten wir dann wieder unser Glück mit der "Einfach-mal-Fragen" Strategie. In einem kleinen Dorf fuhren wir an einer Auffahrt vorbei, wo sich gerade zwei Frauen unterhielten. Wir drehten um und fragten sie. Ohne zu zögern sagten sie sogar JA! :) Die beiden haben uns schon bei der ersten kurzen Vorbeifahrt gesehen und sich sehr über unser Gefährt gewundert und waren nun froh, es von der Nähe betrachten zu können. Wie (fast) immer unterhielten wir uns mit ihnen und dann wurde uns sogar noch eine Dusche angeboten - ein Angebot zu dem Tilman mich verdonnerte!
Am Montagmorgen (22.08.) erwartete uns dann eine Überraschung! Isabelle hat für uns schon Kaffee und Kakao vorbereitet und wir unterhielten uns noch lange mit ihr!
Dabei konnten wir auch endlich das Geheimnis der mysteriösen Felder lüften: Es ist Leinen!
Die Gegend ist wohl sehr bekannt für ihre Leinenproduktion und wenn nicht gerade Mais angebaut wird, dann ist es Leinen. Nach diesem lehrreichen Frühstück machten wir uns auf den Weg in einen, wie sich später herrausstellen sollte, sehr anstregenden Tag, der an Planänderungen selten zu übertrumpfen ist. Aber zunächst der Grund, warum wir gerade weiter ins Landesinnere fahren: Gerberoy. Tilmans Onkel stellte uns die Herrausforderung, auf unserer Tour durch Frankreich mindestens 30 der "Les Plus Beaux Villages de France" - der schönsten Dörfer Frankreichs anzuschauen. Und Gerberoy sollte das erste von vielen sein. Es war ein super kleines Dorf in einer sehr abgelegenen hügeligen Gegend und realtiv schwer zu erreichen. Umso unberührter war dieses Dorf vom Tourismus. Allein eine Herberge befand sich hier und Touri-Autos durften nur außerhalb der Stadt parken. Das Dorf wurde in einem sehr ursprünglichen Zustand belassen und man findet viele Häuser, an denen sich verschiedenste Blumen nur so hochrankeln. Pssst: kleiner Tipp: In einem der Bilder hat sich sogar Puschel versteckt!
Nach der ausgiebigen Besichtigung setzten wir unsere Reise fort durch eine wirklich sehr hügelige Landschaft! Viel steilere und häufigere Anstiege, als wir der Normandie zunächst zugetraut haben. Wir fuhren duch den Forêt domaniale de Lyons um nach Lyons-la-Forêt zu gelangen - unser zweites Dorf auf der Liste der "Les Plus Beaux Villages de France". Dieses Dorf bestand aus vielen Fachwerkhäusern und war wesentlich touristischer angehaucht als noch Gerberoy. Trotzdem fanden wir es sehr schön hier!
Danach ging es weiter bergauf und bergab durch den Forêt domaniale de Lyons. Während einer wunderbaren und schnellen Abfahrt, fuhren wir sehr nahe an einem kleinen, krummen "Ast" vorbei. Als wir jedoch auf der Höhe dieses "Astes" waren, bewegte er sich urplötzlich und zog sich gekräuselt zusammen - eine Schlange! Schnell stoppten wir und wollten zurücklaufen um sie von etwas näher zu begutachten, aber offenbar war die Schlange nicht so erpicht auf uns und zog sich schnell ins Dickicht zurück. Noch weiter bergauf raubte uns nicht nur der Anstieg den Atem, sonder auch die Ausblicke, die wir von so weit oben hatten! Vermutlich können die folgenden Fotos unser Gefühl nicht in voller Gänze wiederspiegeln...
Dies war definitiv einer der Tage, an denen ich trotz der schönen Sachen, die wir erlebten nicht ganz so gut drauf war. Man hat halt nicht immer nur gute Tage auf einer Fahrradtour. Manchmal macht der Körper auch etwas schlapp und umso dankbarer war ich, als die zweite Person unserer "Einfach-mal-Fragen" Strategie "Ja, warum nicht?" sagte. Dies war nämlich ein Tag, wo ich am wenigsten gerne wildgezeltet hätte... Und wir hatten mal wieder unendliches Glück! Die Familie, in deren Garten wir campieren durften, kam nämlich gerade aus dem Urlaub zurück und war in einem sehr entspannten Zustand. Die beiden kleinen Mädchen fanden es wohl auch sehr aufregend, so außergewöhnlichen Besuch zu haben und so wurde ich nach einer schnelle Dusche auch gleich in die Kinderzimmer entführt. Dort wurde mir nicht nur das Prinzessinnenkleid vorgeführt, sondern auch eine beeindruckende Sammlung an jeglichen Sachen, die mit Einhörnern zu tun haben! Hier erweiterte ich auch schnell meinen französischen Wortschatz um das Wort "Licorne" - Einhorn. Die beiden Eltern konnten sehr gut Englisch und so war es mir an diesem Abend auch möglich an der Unterhaltung teilzunehmen. Und neben Wein, Tomaten und Baguette quatschten wir bis in die Nacht hinein! Lustige Anekdote: Als wir ihnen von unseren Blog erzählten, verstanden sie zuerst statt "justtwowheels" (deutsch:"nur zwei Räder") - "justtwoweirds" (deutsch: "nur zwei komische Spinner"). - nicht ganz fern von der Realität... Hier waren wir froh unseren Plan nach Rouen zu fahren über den Haufen geschmissen zu haben.Der Dienstag (23.08.) begann dann für die beiden kleinen Mädels mit einer kleinen Führung durch unser Zelt. Für Kinder eine sehr aufregende Sache! Und so schnell wie das bei Kindern nunmal geht, befand ich mich in einer Runde "Tiere raten" im Zelt wieder. Mein großer Nachteil war, dass ich zwar die Tiere kannte, allerdings nicht deren französische Namen. Bei einem war ich mir sehr siegessicher, dass ich auch das französische Wort weiß: Känguru! Aber die kleine Soline beharrte immer wieder darauf, dass ich nicht richtig sei. Irgendwann kam mir ihr Papa zur Hilfe und fragte sie, was es denn sonst sei, wenn schon kein Känguru. Ihre Antwort war: ein BABY Känguru! - man soll sich eben nicht zu früh siegessicher sein! Nach dieser kleinen Ratestunde bauten wir unser Zelt ab und auf Anraten von Julien & Laure fuhren wir ca 20km Umweg, um eine alte Bahntrasse entlang zu fahren, die uns direkt nach Dieppe ans Meer führen sollte - der avenue verte. Ein Weg, der von Paris nach London führen soll.
In Dieppe nimmt man dann die Fähre nach England. Und zumindest den französischen Teil können wir sehr empfehlen! Wir sind praktisch nur so dahin geflogen auf der Trasse! In Dieppe angekommen, genossen wir die Aussicht auf das Meer und unterhielten uns mit zwei Schweizern, die es mit ihren Rennrädern innerhalb einer Woche von der Schweiz nach Dieppe geschafft haben.
Danach ging es für uns nach San-Marguerite-sur-Mer. Dort hatten wir eine fantastische Aussicht, die so fantastisch ist, dass sie von Claude Monet gemalt wurde!
Auch hier hielten wir kurz unsere schwitzigen Füße in das kühle Wasser. Danach ging es erstaunlich flach etwas ins Landesinnere zu Xavier, unserem warmshowers host. Er selbst fährt mehrmals im Jahr mit dem Fahrrad auf Tour und tauscht sich gerne mit anderen Tourern aus. Die letzte Hürde zu Xavier war es tatsächlich sein Haus zu finden! Denn die Hausnummerierung folgte einem uns nicht erkennbaren Schema. Als wir dann Xavier fragten, erklärte er uns, dass die Hausnummer die Meter angibt ab Beginn der Straße! (Im Nachhinein: Eine sehr clevere Idee!) Den Abend ließen wir dann mit einem guten Grill ausklingen.
Gleich früh morgens am Mittwoch (24.08.) machten wir eine Probe Tandemfahrt mit Xavier, bis dieser zur Arbeit musste. Auch wir hatten an diesem Tag viel vor! Zunächst ging es nach Veulles-les-Roses, dem dritten "Les Plus Beaux Villages de France" Dorf auf unserer Tour. Tatsächlich fanden wir es sehr schön, aber auch sehr überlaufen, und so packten wir schnell wieder unsere sieben Sachen ein und fuhren weiter Richtung Fécamp.
Auf dem Weg nach Fécamp folgten wir teilweise wieder dem Eurovelo 4, wobei wir im allgemeinen von dessen Streckenführung eher weniger begeistert waren. Und so mischte Navigator-Tilman von hinten eine eigene Route zusammen, die uns über einen kleinen Flugplatz führte und an einem Atomkraftwerk (Pahuel) vorbei. Was zunächst nur als eine spaßig gemeinte Antwort auf meine Frage "Was sind das für große Blöcke dahinten?" war, stellte sich dann doch als das zweitgrößte AKW Frankreichs herraus (Und das 5. größte der Welt!). Man erlebt halt immer wieder seine Überraschungen... Für die Strecke nach Fécamp gab es zwei Optionen: entweder zuerst sachte die Bahntrasse hoch und dann stabil auf der Höhe bleiben, in Fécamp am Aussichtspunkt vorbei und dann schnell wieder runterfahren, oder: moderat langsam die Eisenbahntrasse hochfahren und dann die nächsten 15km rollen lassen um dann in Fécamp noch einmal mit 20% Anstieg zum Aussichtspunkt hoch. Dummerweise entschieden wir uns für letztere Option... Hinterher ist man halt immer schlauer. Der Aufstieg in Fécamp war brutal, allerdings wurden wir mit einer schönen Aussicht belohnt!
Danach ging es wieder runter in die Stadt, nur um am anderen Ende der Eurovelo 4 Route wieder hoch zu folgen... Naja Fahrradroute kann man das kaum nennen. Während die Autos meistens in Serpentinen mit moderatem Anstieg hochgeführt wurden, ging der Fahrradweg mit >20% Steigung geradewegs nach oben. Es war so absurd steil, dass selbst die Autos im ersten Gang ihre Problme hatten. Nachdem wir selbst einen Rennradfahrer sahen, der geschoben hat, fühlten wir uns auch garnicht schlecht es ihm gleich zu tun. Super erschöpft oben angekommen, ging es dann halbwegs flach (zumindest flacher als 20%) nach Étretat (man lernt ja aus seinen Fehlern). Dort angekommen gab es gleich die zweite grandiose Aussicht des Tages.
Étretat ist bekannt für seine Bögen in den Kreidefelsen. Und dort traute ich mich auch nach diesem strapaziösen Tag endlich mal komplett ins kalte Nass! Der Abend war auch relativ entspannt, weil wir uns unserer Unterkunft über welcometomygarden schon sicher waren. So nahmen wir eine (so vermuten wir) alte Bahntrasse, die uns über 18km mit langsamen Anstieg die Höhenmeter nur so hochfliegen ließ. Bei Typhaine angekommen, wurden wir erstmal von dem großen Neufundländer Hund "Odin" abgeschleckt. Genug Salz hatten wir ja auch auf der Haut :) Die beiden haben sich bei welcometomygarden angemeldet, da sie in den kommenden Wochen auch eine kleine Fahrradtour geplant haben und das Konzept ganz cool fanden.Donnerstag (25.08.) wachten wir (zumindest ich) mit einem ordentlichen Muskelkater in den Beinen auf. Aber es hilft ja nichts... unsere nächste längere Pause war erst am Sonntag in der Nähe von Saint-Malo geplant. Also: rauf aufs Rad und weiter gehts! Wie fast jeden Morgen ging es erstmal in eine Boulangerie um uns ein Pain au chocolat reinzuziehen. Dabei möchten wir besonders das Pain au chocolat dieses Tages in Saint-Maclou-la-Brière hervorheben - das beste Pain au chocolat was wir bisher probieren durften (Tilman schwärmt noch heute über die Konsistenz!). Danach folgt vor der Boulangerie eine ungläubige Unterhaltung mit einem jungen Mann, der es nicht fassen konnte, dass wir mit dem Fahrrad bis nach Portugal wollen. Dabei haben wir ihm noch nichtmal erzählt, dass es danach noch nach Griechenland und Finnland gehen soll :) Mit unseren Kräften etwas am Ende, machten wir in der Stadt kurz vor der Fähre über die Seine halt und gönnten uns ein Plat du jour - Gericht des Tages. Denn eins haben wir von den Seefahrern gelernt: mit einem leeren Magen steigt die Chance einer Meuterei. Und sowas können wir hier wirklich nicht gebrauchen! Also verzehrten wir neben massiven LKW Fahrern unser 4 Gänge Menü (mit extrem viel Essen!!!) zu einem vernünftigen Preis. Nachdem wir es mit der Fähre über die Seine geschafft haben, war es aber auch wirklich mal Zeit für ein ausgiebieges Mittagschläfchen! Danach ging es leider nicht gerade schön weiter... entlang einer "departamental" - vergleichbar mit einer Bundesstraße - ging es dann wieder ein paar Höhenmeter hoch. Und dann entlang des Eurovelo 4 wieder ein paar mehr Höhenmeter hoch (mal wieder ca 20% Steigung)... An dieser Stelle fragten wir uns, ob die Verantwortlichen des Eurovelo 4 tatsächlich mal ihre Strecke abgefahren sind... danach wurde es wieder etwas moderater bergab, entlang einer alten nicht asphaltierten Bahntrasse. Und dann ging es wieder steil bergauf und so langsam waren wir auch auf der vergeblichen Suche nach einem Schlafplatz. Nach zwei Absagen (ein Mann hätte uns gerne aufgenommen, hatte aber selbst gerade eine Geburtstagsparty bis 2 Uhr nachts, der andere mit Garten wollte einfach nicht), fragten wir eine handvoll Jungs, die wir gerade auf einer Wiese sahen. Es stellte sich heraus, dass sie die Wiese gerade für eine größere Fete am nächsten Tag vorbereiteten (Ihre Tätigkeit: graben eines Lochs für die Toilette). Für die war es kein Problem, dass wir eine Nacht unser Zelt auf ihrer Wiese aufschlagen konnten. Einer von Ihnen war vor einigen Jahren sogar selbst auf dem Jakobsweg mit dem Fahrrad unterwegs! Auch diese Nacht schliefen wir wieder mit erschöpften Beinen ein.
Am Freitag (26.08.) durften wir dann gleich morgens eine schöne, frische Abfahrt runter ins Dorf Beuvron-en-Auge genießen. Und wie fasst immer, wenn wir kleine Dörfer als Ziel haben, handelte es sich hierbei wieder um ein "Les Plus Beaux Villages de France". Die Fachwerkhäuser hier, waren wesentlich länger gestreckt, als man Fachwerk aus Deutschland gewohnt ist. Wir genossen unseren Morgen auf dem zentralen Platz. Unsere morgentliche Unterhaltung war ein Fernsehteam, welches (zumindest von außen gesehen) lustige Szenen für eine Dokumentation drehte.
ie schon so häufig in den letzten Tagen ging es danach wieder: bergauf! Diesmal aber um wieder Richtung Küste nach Villers-sur-Mer zu gelangen - dem ersten französischem Planetarium auf unserer Reise. das Paleospace Center war eine Mischung aus Dinosaurierausstellung und Planetarium. Wir wurden sehr ausgiebig rumgeführt und erfuhren, dass das Planetarium dort nur gebaut wurde, weil der Nullmeridian direkt durch diesen Ort verläuft - nun befinden wir uns wohl auf der anderen Seite der Welt! Die Projektion im Planetarium wurde durch einen Beamer mit Fischaugenobjektiv realisiert und dient in erster Linie Bildungszwecken. Für kleine Kinder haben sie sogar in Quiz mit Buzzern für jedes Kind.
Weiter ging es für uns über die Pegasus Bridge - einer wichtigen strategischen Brücke des D-Days. In Cabourg machten wir dann eine Strandpause und zogen uns jede Menge an Essen aus dem Supermarkt rein. Die folgenden Strände waren sehr geschichtsträchtig und etwas bedrückend. Die Strände des D-Days. Um genauer zu sein folgten wir der Küstenlinie "Sword".
Verrückt, wenn man bedenkt, wie viele junge Menschen an den Stränden ihr Leben verloren, nur um Frankreich zu befreien. Hier wollen wir auf jedenfall noch einmal her, mit etwas mehr Zeit um die Geschichte des zweiten Weltkrieges mal aus einer anderen Perspektive kennenzulernen. Wir folgten der Küste bis Saint-Aubin-sur-Mer. Danach bogen wir wieder Richtung Landesinnere ab, um einen Schlafplatz zu finden. Leider hatten wir heute nicht so viel Glück, denn zwei potentielle welcometomygarden mussten uns leider absagen. Entlang eines Feldes fragten wir ein Paar, welches gerade mit ihrem Hund spazieren ging, ob sie einen Garten hätten, aber leider mussten sie verneinen. Auch eine Gruppe von Menschen, die wir schon in der Dunkelheit trafen, konnten uns nicht weiterhelfen. Ehrlich gesagt hätten sie wohl selbst etwas Orientierungshilfe gebraucht, denn sie waren selbst etwas verloren. Und so freundeten wir uns mit dem Gedanken des Wildzeltens an. Leider stellte sich dieses als etwas schwierig herraus, da es kaum Wälder gab und die meisten Felder schon geernter wurden. Und so blieb uns nur noch eine Möglichkeit: Am Rande eines Maisfeldes. Leider stellten wir erst beim Aufbau des Zeltes fest, dass wir Diesteln unter uns hatten. Deshalb entschieden wir uns, unsere Luftmatratzen nicht aufzupusten und schliefen etwas unbequem und angespannt ein.
Der Samstag (27.08.) begann, wie geplant, viel viel früher als sonst: Um 04:00 klingelte nach einer anstrengenden Nacht unser Wecker. In der Dunkelheit bauten wir unser Zelt ab. Nur ein klarer Sternenhimmel schien auf uns. Die ersten Kilometer ging es dann durch die Dunkelheit. Dies hat seine Vor-und Nachteile! Ein bisschen hilft es dem Kopf, weil man nicht sieht, was noch vor einem liegt. Aber man fühlt sich auch sehr in einem Kokon, weil das eigene Sichtfeld sehr eingeschränkt ist. Vor einer Mairie - einem französischen Rathaus - machten wir dann unsere Pause und zogen uns als Frühstück Erdnüsse mit Salz rein.
Um diese Uhrzeit hat leider noch keine Boulangerie auf. Auch als es langsam heller wurde, mussten wir feststellen, dass wir während der französischen Ferien in der Pampa unterwegs waren. Heißt: Selbst wenn es Supermärkte und Boulangerien gab, heißt es nicht, dass sie offen hatten... Langsam machte sich auch unser Schlafmangel bemerkbar, und als Tilman meinte, er sei kurz vorm Einnicken, suchten wir uns einen netten Park, hängten unser Zelt zum Trocknen auf, pusteten die Isomatte auf und kuschelten uns nacheinander nochmal in den Schlafsack. Dieses Früh-Mittagsschläfchen geht wohl in unsere Liste der legendären Mittagsschläfchen ein!
Nach 60km fanden wir dann endlich eine Boulangerie, die auch Sandwiches anbot. So mampften wir unsere Sandwiches + super leckeren Nachtisch als erstes richtiges Essen des Tages in uns rein. Und dann kam uns wieder eine dumme Idee: Lass uns doch einfach noch durchfahren, sodass wir heute Abend bei Barbara und Familie bei Saint-Malo ankommen konnten. Doch dafür mussten wir erstmal noch 20km durch die extrem hügelige Normandie fahren. Danach ging es bergab und nur noch leichte Hügel hoch. Von weitem sahen wir Avranches, wo Barbara uns glücklicherweise von abgeraten hat durchzufahren. Jetzt wissen wir auch warum: Es lag auf einem Hügel. Jetzt trennten uns nur noch Schafe von unserem nächsten Touri Ziel: Mont-Saint-Michel! Wir steckten sogar in einem richtigen Schafstau fest. Die Schafe, die tagsüber auf der Weide Richtung Wasser grasten, mussten auch abends wieder rein in die Heia :) Irgendwann kamen wir tatsächlich in Mont-Saint-Michel an und genossen den Ausblick.
Danach ging es mit gutem Rückenwind auf geraden und flachen Straßen weiter. Richtig schnell! Schneller als die Polizei erlaubt! Zumindest wenn man manchmal unseren Tacho mit der Geschwindigkeitsbegrenzung vergleicht. Irgendwann wurde es so dunkel, dass man sogar die Milchstraße erahnen konnte. Um ca. 22:00 wurden wir dann von Barbara & Dominique mit einer heißen Schokolade begrüßt und fielen völlig erschöpft ins Bett! So und weil dieser Blogeintrag noch nicht lang genug ist: Hier das Sternenbild der Giraffe. Die Menschen vom Paleospace fanden es lustig, da es kaum als Giraffe zu erkennen ist. Man findet es zwischen dem großen Bären und Cassiopeia und es ist echt schwer zu sehen, weil es so gut wie keine helleren Sterne gibt. Man munkelt, es wurde sich nur ausgedacht, um eine große Lücke am Himmel zu füllen. Für mehr Informationen: besuchen Sie das nahegelegene Planetarium Ihres Vertrauens :)
Und zum Schluss: Herzlichen Glückwunsch! Ihr habt es geschafft, die Höhen und Tiefen unserer letzten Woche durchzulesen!
Wir sehen/hören/schreiben uns dann nächste Woche!
Tilman & Ida