Heute morgen wurden wir von einer Kettensäge geweckt. Nicht, dass wir in einem Horrorfilm geladet wären, es handelte sich schlicht um jemanden der ganz normal Holz für den Winter vorbereitete. Ich ließ Malte noch ein Weilchen ausschlafen, schließlich hatten wir unseren Aufenthalt mit dem Eigentümer der Wiese abgesprochen. Wir mussten also nicht hastig abbauen bevor wir entdeckt werden ... Ganz im Gegenteil, wir hatten unser Zelt ja gut sichtbar an der Außenseite des Hofes platziert.
Als ich aber gemütlich eine Stunde später aus dem Zelt lugte, wurde die morgendliche Freude in meinem Gesicht nicht unbedingt von der anderen Seite erwidert. Anfangs dachte ich noch, es handele sich um einen Mangel an Kommunikation zwischen den Bewohnern des Hauses, doch nach einer kurzen Unterhaltung mit der Besitzerin der Kettensäge (die zu diesem Zeitpunkt zum Glück bereits aus war und nicht bedrohlich gegen uns gerichtet) stellte sich heraus, dass der Herr, der uns gestern Erlaubnis gegeben hatte dort zu zelten, gar nicht der Eigentümer des Grundstücks war! Unser Glück war es, dass die Eigentümerin sehr verständnisvoll reagierte und uns sogar zusicherte, wir könnten auch gerne noch weitere Nächte bleiben.
Ihr Zorn galt dabei alleine dem Nachbarn, denn anscheinend hatte es da schon einige Ungereimheiten gegeben ... Wenn Ihr also in den Geschichtsbüchern Eurer Kinder von dem Nachbarkrieg von Oberzettling lest, dann wisst Ihr nun wer ihn entzündet hat!
Staffelübergabe an Malte
C'est moi! Tilman schläft nun ... Das einzige Problem ist nur: wir haben nicht mehr viel Akku. Die Powerbank hat soeben ihren Geist aufgegeben. Sollte dieser Blog also unverschämt detailarm sein oder gar vollständig ohne Bilder, bitte ich dies schon jetzt zu entschuldigen!
Aber zurück zum Tag: trotz des netten Angebots der rechtmäßigen Besitzerin zogen wir bald von dannen.
Bevor wir uns über den Berg nach Neukirchen beim Heiligen Blut quälen, wusch Tilman noch sein salzverkrustetes T-Shirt im weißen Regen und verschmutzte damit das Gewässer vermutlich für die nächsten paar Wochen.
Oberkörperfrei radelte also ein gutaussehender junger Mann vor mir, erst einen steilen Berg hinauf, dann den steilen Berg wieder hinab.
Hierbei hinterließen wir bei einigen Personen sicher einen bleibenden Eindruck: nicht nur ein Liegeradtandem, sondern ein Liegeradtandem, auf dem die hintere Person mit nach oben ausgestreckten Armen das Oberteil der vorderen Person wie eine Flagge in den Wind hielt!
Die ungewöhnliche Lufttrockenmethode wirkte allerdings tatsächlich gar nicht mal so schlecht, sodass Tilman bekleidet im Rathaus erscheinen konnte.
Hier wurden wir von Frau Baumeister, Leiterin der Tourist-Info, und Bürgermeister Markus Müller super nett empfangen. Warum dieser Ort eine Tourist-Info hat - so etwas sind wir gar nicht gewohnt - erfuhren wir später, erst wurden wir kulinarisch versorgt. Frau Baumeister hatte eine Platte mit Backwaren vorbereitet, die vermutlich nicht für zwei Personen gedacht war. Während unseres Gesprächs mit dem Bürgermeister, bei dem wir am Ende vier Schnäpse versprochen bekommen hatten (die lösen wir noch ein!), leerte sich die Platte stetig. Dass man mit vollem Mund nicht spricht, hielten wir, im Nachgang betrachtet, vermutlich für eine nicht ganz ernstzunehmende Redensart ... Auf jeden Fall war die Platte bald geleert und die Fotos gemacht, und wir starteten unsere Tour durch das Wallfahrtsmuseum mit Frau Baumeister. Neben der spannenden Ursprungsgeschichte der Wallfahrt und allerlei spannenden Geschichten und Ausstellungsstücken zu über 600 Jahren Wallfahrt nach Neukirchen beeindruckte mich besonders die Sonderausstellung mit einer (ehemaligen) Privatsammlung an Porzellan-Weihwasserbecken, thematisch sortiert. Ich Unwissender wusste nicht einmal dass so etwas existiert, und jetzt gleich eine solche Fülle davon!
Um uns von dem Schreck zu erholen, stiegen wir auf das Rad und fuhren ein paar hundert Meter bis zur Wallfahrtskirche, die natürlich reich geschmückt und recht frisch renoviert in einem anderen Glanz strahlte als die meisten kleinen Filialkirchen, die wir besichtigen. In der Mitte hinter dem Altar die Marienfigur, aber auch sonst Maria allerorten.
Meist sind wir in den Kirchen, die wir besichtigen, ja ganz alleine, hier befanden sich allerdings noch einige Betende mit uns in der Kirche, und so befanden wir wiederum, dass der Anstand es gebiete nicht zu lange in der Kirche herumzugucken. Stattdessen ließen wir uns den interessanten Klostergarten zeigen, mit schönem Themengarten, Gemüse für die Mönche und dem Garten der bayrisch-böhmischen Freundschaft, mit alten Obstbaumsorten aus Tschechen und Deutschland.
Als letzter, besonders erfrischender Punkt stand dann ein Naturbad mit Blick über den bayrischen Wald auf dem Programm. Naturbad heißt es, weil allerlei ausgewählte Pflanzen das Wasser natürlich säubern. Das bewunderten wir dann auch schwimmend, auch wenn Tilman erstaunlich lange brauchte, sich ins relativ kalte Wasser zu trauen - bis dahin war ich schon wieder getrocknet!
Nach diesem unerwarteten Wellnessaufenthalt wollten wir beim Kiosk noch etwas essen, bemerkten aber im letzten Moment unseren Bargeldmangel. Mit etwas Suchen bekamen wir immerhin exakt 3,99€ zusammen, womit wir uns zwei Leberkässemmeln ergaunern konnten.
Danach betrug unser Bargeldvorrat -0,01€, weswegen wir schuldenbeladen das Weite suchten. Um 15 Uhr, wohlgemerkt, nachdem wir davor insgesamt erst 15 Kilometer gefahren waren - rekordverdächtig, nicht im sportlichen, aber in einem angenehmen Sinne.
Nach Zwischenhalt bei einem Geldautomaten und zeitgeschuldeter Vorbeifahrt am Fahrradmuseum Arnschwang fuhren wir nacheinander über Chambtal-Radweg und Regental-Radweg bis nach Pösing.
Hier trennten sich unsere Wege: Der Regen floss gemütlich nach Regensburg, uns floss nur der Schweiß, während wir strampelnd über Berg und Tal (leider mehr Berg) nach Neukirchen-Balbini radelten. Nach der Ankunft trafen wir uns dort mit Bürgermeister Markus Dauch - quasi für heute Markus II. - der uns kurz willkommen hieß und uns dann unseren Zeltplatz mit wunderschönem Blick über Oberpfälzer Wald und Bayrischen Wald zeigte. Ausblick in mehrere Richtungen, wie allgemein bekannt, ist meist damit verbunden, dass man an einem hohen Punkt ist. Diesem Naturgesetz folgend war auch unsere Auffahrt nicht unanstrengend - allerdings hat uns der Sonnenuntergang schon etwas entschädigt, und wir freuen uns schon auf den Blick morgen früh.
Habe ich etwas vergessen? Wahrscheinlich! Allerdings ist der Blog doch recht lang geworden, es ist ja auch einiges passiert, und sowohl meine Augen als auch der Handyakku rufen "Schlaaaaaf!". Deshalb jetzt noch keine Bilder; das ändert sich aber natürlich morgen im Verlauf des Tages, wenn wir Strom getankt haben!