Just two wheels

Schreibservice Mama

9. September 2021

Als wir heute morgen im Zelt aufwachten, das heißt als Tilman heute morgen im Zelt aufwachte, mal wieder eine Stunde herumlag und mich dann weckte, konnten wir erstmal einen wunderschönen Blick über den Oberpfälzer- und Bayrischen Wald werfen. Die steile Auffahrt gestern Abend hatte sich tatsächlich gelohnt, denn der Blick in die Ferne war wirklich umwerfend. Ein weiterer Vorteil des hochgelegenen Zeltplatzes war die Möglichkeit, am Morgen gleich erstmal einige hundert Meter herab zu düsen, ohne sich davor in irgendeiner Weise angestrengt zu haben. Trotzdem waren wir uns sicher, dass wir jetzt erstmal ein großes Frühstück verdient hatten und suchten den Bäcker im Ort.

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Der morgendliche Ausblick!

Zwar wussten wir, dass es einen gab, doch das Suchen war schwerer, als gedacht, und erst nachdem ich einen alten Mann gefragt hatte, der genau ein Haus weiter zeigte, sahen wir die unscheinbare Bäckerei. In den nächsten vierzig Minuten saßen wir vor dem Bäckerladen auf dem Platz und aßen verschiedenste Backwaren, wobei wir immer wieder in die Bäckerei gehen mussten, um unseren Vorrat aufzufüllen. Währenddessen nutzten wir tatsächlich die E-Bike Ladestation! Zwar ist unser Fahrrad natürlich muskelbetrieben, doch unser "E" sind die Mobilgeräte, die sich zahlreich in unserer Lenkertasche befinden, und so luden wir an der E-Bike Ladestation statt eines Motors ein Handy und eine Powerbank auf.

Um kurz vor 10 traf dann Bürgermeister Markus Dauch ein, der zuvor noch einen Termin hatte. Wir hatten uns am Abend zuvor mit ihm verabredet, weil er uns gerne ein Haus zeigen wollte, das die Stadt sorgfältig hergerichtet hat, und zwar als Forschungszentrum für Erdställe.

Bild von So sieht ein Erdstalleingang aus!
So sieht ein Erdstalleingang aus!

Bevor ich gleich weiter ausführe, was ein Erdstall ist, möchte ich erwähnen, dass wir zunächst noch zufällig den Mesner trafen, der auch gerade in der Bäckerei eingekauft hatte. Er wurde dann vom Bürgermeister direkt gefragt, ob er uns später auch noch eine Kirchenführung geben würde, wozu er sich sehr gerne bereit erklärte. Vorher begleitete er uns auch noch ins Erdstall-Haus. Im Haus war eine Ausstellung zum Phänomen der Erdställe aufgebaut. Erdställe sind im Keller gelegene Gangsysteme, die so eng und klein und mit engen Öffnungen versehen sind, dass sie im Prinzip für sämtlichen Gebrauch völlig ungeeignet sind. Sie stammen aus dem zehnten bis elften Jahrhundert und bis heute ist nicht klar, wofür sie gebraucht wurden. Es gibt verschiedene Theorien, doch keine scheint perfekt zu passen. Für Vorratskammern sind die Gänge zu klein und unpraktisch, für Rückzugsorte bei Angriffen haben sie zu wenig Sauerstoffzufuhr und können leicht ausgeräuchert werden und auch andere Erklärungen wie "Seelengräber" erklären nicht das ganze Phänomen. Auf jeden Fall wurden Erdställe in großen Teilen Deutschlands, Tschechiens und Frankreichs gefunden und nach dem 11. Jahrhundert eigentlich nur noch als Müllkippen benutzt, in die alles geschmissen wurde, was nicht mehr gebraucht werden konnte. So finden sich heutzutage große Mengen an Scherben aus verschiedensten Jahrhunderten in vielen Erdställen. Das wurde uns erklärt, nicht nur vom Bürgermeister, sondern auch vom Mesner, der mit eindrucksvollem Geschichtswissen zu glänzen wusste und der uns nicht nur über die Erdställe, sondern auch über die Geschichte Neukirchens und der Oberpfalz einiges berichten konnte. So spontan und unterhaltsam, dass an ihm wirklich ein Geschichtslehrer verloren gegangen ist!

Bild von "Müll" aus dem Erdstall
"Müll" aus dem Erdstall

Nach der spannenden Einführung in die Erdstall-Kunde gingen wir zur Kirche, durch die uns der Mesner führte. Wir beguckten uns die hohe schöne Kirche und den prunkvollen goldenen Altar, wir guckten uns in der Sakristei um und dann durften wir sogar noch auf den Glockenturm steigen, wo vermutlich extra für uns, gerade als wir oben waren, viele Glocken geläutet wurden. Tilman war völlig fasziniert, und ich auch, habe aber währenddessen auch noch Tilmans Faszination in Videoform festgehalten. Der einzige Wermutstropfen: der Kirchturm hatte oben keine Fenster, sodass wir leider keinen Blick über Neukirchen-Balbini werfen konnten.

Bild von Mit Bürgermeister vor dem Erdstallhaus
Mit Bürgermeister vor dem Erdstallhaus

Wieder unten in der Kirche angelangt, schauten wir uns noch den Altar von nahem an und konnten erstmals hinter einen Altar gucken, wo sich zu unserem Erschrecken herausstellte, dass all der prunkvolle Marmor und das schöne Gold eigentlich nur bemaltes Holz sind! Außerdem erstaunlich für uns: hinter dem Altar befand sich ein weiterer Altar, der wohl für einige besondere Zwecke gebraucht wurde. Eine seltsame Perspektive auf eine Kirche, die wir so bis jetzt auch noch nicht hatten.

Nach diesem interessanten Vormittag, und nachdem wir noch unsere gesamten Wasservorräte aufgefüllt hatten, fuhren wir los Richtung Norden und Richtung tschechische Grenze. Heute mit einigen Pausen, da es wirklich unverschämt heiß war, insbesondere für September. Teilweise konnten wir auf einer schönen Bahntrasse fahren, die zwar bergauf, aber nur so wenig bergauf ging, dass wir noch gut vorankamen.

Bild von Neukirchen-Balbini: Kirche!
Neukirchen-Balbini: Kirche!

Größtenteils waren wir aber auf Wegen unterwegs, die uns ordentlich schwitzen ließen und die unsere Fahrt heute recht zäh gestalteten. Später als angekündigt kamen wir in Neukirchen zu St. Christoph an, was zur Stadt Georgenberg gehört. Hier hatte Bürgermeisterin Marina Hirnet uns organisiert, dass wir auf dem Jugendzeltplatz neben dem Freibad zelten dürfen. Leider war der Platzwart in München, sodass der Strom und das heiße Wasser ausgestellt waren und auch nicht angestellt werden konnten. Trotzdem wollten wir uns gerne waschen und das ging dann so: Tilman stellte sich fürchterlich an und machte am Ende eine Katzenwäsche unter der kalten Dusche und ich sprang mutig ins Freibad, schwamm eine Runde, fand es dann entsetzlich kalt und hüpfte schnell wieder heraus, um mich abzutrocknen.

Bild von Kirchenführung!
Kirchenführung!

Bürgermeisterin Marina Hirnet kam noch bei uns vorbei, um zu gucken, wie es uns geht und wir klagten ihr unser Strom-Leid. Netterweise bot sie an, unsere Powerbank zu sich nach Hause zu nehmen und dort über Nacht aufzuladen - wir hoffen sehr, dass wir sie morgen wiedersehen! (hat geklappt: deswegen könnt ihr das hier lesen!)

Dadurch war nun allerdings auch unsere letzte externe Stromversorgung verschwunden, was Tilmans Handy (7 %) und mein Handy (mit knapp über 30 %) in starke Gefahr brachte. So wie an anderen Tagen gemütlich Blog zu schreiben war heute leider nicht drin.

Bild von Eingang Richtung Turm. Schon etwas niedrig!
Eingang Richtung Turm. Schon etwas niedrig!

Stattdessen nutzten wir das erste Mal den (hervorragenden!) "Wir diktieren, Mama schreibt und verbessert"-Service, den meine Mutter uns gestern angeboten hatte. Was Ihr hier lest, ist also zunächst stichwortartig aufgeschrieben, dann diktiert und schließlich von meiner Mutter in schriftliche Form gebracht worden. Nur müssen auch heute wieder die Bilder leiden. Wir hoffen, dass wir morgen dann mit der Powerbank so viel Strom haben, dass wir neben dem Text auch noch die Bilder hochladen können.

Bild von Die beeindruckenden Glocken - ich weiß, der Text ist schon viel weiter, aber ich habe wegen des Akkuproblems vom letzten Teil des Tages kaum Fotos ...
Die beeindruckenden Glocken - ich weiß, der Text ist schon viel weiter, aber ich habe wegen des Akkuproblems vom letzten Teil des Tages kaum Fotos ...

Was war noch wichtig? Im Freibad trafen wir einen jungen Mann, der dort seine Bahnen schwamm und mit dem wir ins Gespräch kamen. Nachdem er erst etwas skeptisch wirkte, was wir da für eine seltsame Idee hatten, fand er die Tour, glauben wir, dann doch ganz cool. Langer Rede kurzer Sinn: er wird uns morgen vermutlich ein bisschen begleiten und die Fahrradwege gen Norden zeigen. Wir freuen uns schon auf eine nette Tourenbegleitung und sind gespannt, wie das wird!

Bild von Jetzt auch in Bildformat: Ankunft im letzten bayrischen Neukirchen
Jetzt auch in Bildformat: Ankunft im letzten bayrischen Neukirchen

Außerdem haben wir den Artikel zugeschickt bekommen, der gestern über uns in der "Passauer Neue Presse" erschienen ist. Wir haben ihn soeben als Zelt- und Abendlektüre gelesen und Tilman ist daraufhin wohlig eingeschlafen, denn es hat sich ein kleiner Detailfehler eingeschlichen: Tilman spielt jetzt schon seit vielen Jahren Klavier! Das hatte er sich schon lange gewünscht, hatte aber nie die Zeit, es zu lernen - nun ist es offiziell attestiert und ich denke, Tilman wird heute besonders gut träumen.

Bild von Zeitungsausschnitt: Grund für Tilmans hervorragenden Schlaf!
Zeitungsausschnitt: Grund für Tilmans hervorragenden Schlaf!

Ihr seht, trotz des ungewöhnlichen Schreibvorgangs ist Tilman wieder vor mir im Bett - gerade hat er noch mitgeholfen, die Stichwortliste mit den Dingen zu schreiben, die in den Blog gehören, dann hat er sich auf die Seite gedreht. Und da Tilman bei jedwedem Geräusch schlafen kann, kann er auch schlafen, wenn ich in mein Handy hineinspreche. Damit will ich jetzt aber aufhören. Morgen stehen wir um 7 Uhr auf, damit wir um Viertel nach Acht für Stadtführung und Presse bereit sind. Wir freuen uns schon sehr auf das letzte bayrische Neukirchen, denn nach Neukirchen zu St. Christoph kommt leider erstmal eine längere Strecke ohne ein weiteres Neukirchen!