Wenn jemand mal fragt, wie man „Glückspilz“ definiert: Man kann ab heute ein Bild von uns am 26.08.2021 zeigen. Wir haben heute auf verschiedenste Arten Glück gehabt – es fing morgens an und hörte dann einfach nicht mehr auf. Wirklich etwas dafür getan haben wir nicht, wir haben uns bisher allerdings auch noch nicht beschwert!
Morgens durften wir, kaum waren wir aufgestanden, ein tolles Frühstück essen: Es gab alles, was das Radlerherz begehrt, inklusive Actionfilm. Der Film bestand aus zahlreichen Vögeln, die direkt vor dem Fenster leckere Sonnenblumenkerne verputzten, während ich als Hobbyornithologe fröhlich mit Halbwissen zu Sumpf- und Weidenmeise glänzte und Tilman versuchte, spontan Wildtierfotograf zu werden. Dabei lief Radio Coburg, das regelmäßig Interviewausschnitte mit zwei berühmten Radfahrern ausstrahlte. Die beiden klangen ganz schön seltsam und nicht unbedingt so, als hätten sie schon oft in ein Mikrofon geredet …
Zwischen den „Selbst-“gesprächen unterhielten wir uns auch noch nett, und jetzt können wir es ja sagen: Wolfgang und seine Frau haben uns wirklich fürstlich empfangen, wir haben uns richtig wohl gefühlt! Nachdem wir auch noch Reiseproviant bekommen hatten, fuhren wir dann auch los. Morgens hatte es noch wild geregnet, was uns mit Dach über dem Kopf natürlich nicht weiter störte, doch als wir das Tandem in den Hof schoben, war nur noch der Boden nass, während sich der Himmel von seiner besten Seite zeigte.
Apropos Tandem: Es gibt neue Namensvorschläge: „Malti-Vitamin-Rad“ (toller Name, doch nicht ganz passend: Wenn man diese Blogs aufmerksam liest, weiß man, dass wir unvorteilhaft selten Vitamine transportieren), oder „Trampeltier“ (gelb, hat zwei Höcker, speichert allerdings nur bis zu 5 Liter Wasser).
Wir fuhren also mit unserem Reittier gen Süden, nicht ganz bis in die Wüste, aber immerhin bis Erlangen, wo wir heute Nacht bei Tilmans Cousin Nils unterkommen können. Erlangen liegt auf dem Weg nach Sachsen bei Ansbach-Neukirchen, das plan- und unplanmäßig unser nächster Halt ist. Planmäßig nach meinem Infoplakat und der Reihenfolge, in der ich die Bürgermeister angeschrieben hatte. Unplanmäßig nach der Karte, die Tilman erstellt und optimiert hatte. Deswegen bitte nicht wundern: Wir werden in den nächsten Tagen ordentlich von der Karte abweichen.
Auf dem Weg nach Erlangen kamen wir nach Coburg, wo wir durch meine zweifelhafte Navigation die Chance hatten, einen wunderschönen Blick von oben über den Schlossplatz zu erhaschen. Coburg scheint eine richtig schöne Stadt zu sein, und wir hoffen, dass wir Wolfgangs Einladung mal nachkommen können und die Gegend mit ein bisschen mehr Zeit erkunden. Heute fuhren wir aber einfach weiter, denn wir waren gar nicht mal so früh losgefahren und hatten insgesamt 100 Kilometer vor uns.
Kurz nach Coburg sahen wir in der Ferne einen Radfahrer mit ungefähr unserer Geschwindigkeit fahren. Tilman, der heute gerne eine E-Bike-Statistik machen wollte, musste natürlich wissen, ob besagter Radfahrer motorisiert unterwegs war. Also ließen wir unsere Muskeln spielen und kamen schließlich, leicht hechelnd, neben den Herrn. Wie unter Tourern auf weniger frequentierten Strecken so üblich, fragten wir natürlich gleich nach, wo es denn hinginge – auch nach Erlangen, und zwar auf Wahlkampftour! Ja, wie sich herausstellte, hatten wir es hier mit einem Kanzlerkandidaten für die Bundesrepublik Deutschland zu tun. Als ich mir gerade überlegte, dass ich Herrn Scholz wirklich völlig anders in Erinnerung habe, stellte er sich als Stefan Müller vor, der für die Partei „Die PARTEI“ als Direktkandidat für Erlangen (und damit gegen Stefan Müller von der CSU) und auch als Kanzlerkandidat antritt. Er fuhr, um ein Zeichen zu setzen, von Ilmenau bis Erlangen mit dem Rad, und da wir sowohl über die gleiche Route als auch mit einer ähnlichen Geschwindigkeit unterwegs waren, taten wir uns zusammen und redeten über Politik, Radfahren und Umweltschutz. Ein wirklich spannendes Treffen, und mit Begleitung fuhren sich die 50 Kilometer bis Bamberg tatsächlich ganz entspannt. Wir konnten ihm sogar helfen, indem wir als Kamerafahrzeug und -mann für ein spontanes Wahlkampfvideo zur Verfügung standen. Das kann man sich zum Beispiel auf https://twitter.com/smuellerkdb begucken!
Außerdem, und das muss man auch betonen, bekamen wir trotz anderslautender Prognose keinen Tropfen Regen auf unsere empfindlichen Haare, und es ging im Prinzip immer leicht bergab am Fluss entlang: So hatten wir uns das vielleicht in Norddeutschland vorgestellt, aber doch nicht in Bayern! Der heutige Tag zerstörte wirklich alle unserer gepflegten Vorurteile. Einer der großen Nachteile des Reisens, übrigens, danach muss man sich meist neue Vorurteile suchen!
In Bamberg trennten sich dann unsere Wege, da Tilman und ich nur eine kurze Pause machten: Ein Mal zum Bamberger Rathaus, Proviant essen, ganz schnell aus dem touristischen Trubel rauswollen, weg. Das waren die Etappen unserer Bamberg-Besichtigung, nicht gerade umfassend dafür, dass Bamberg so eine tolle Stadt ist. Aber erstens sind Neukirchens sowieso schöner, und zweitens mit dem langen Fahrrad auch viel leichter zu navigieren als eine hochfrequentierte Fußgängerzone.
Nachdem Tilman uns dann von der Regnitz erst zum höchsten Punkt Bambergs leitete, um uns dann auf steilsten Wegen wieder an das Wasser zu navigieren, fuhren wir nur noch am Main-Donau-Kanal entlang Richtung Erlangen. Gut, vielleicht habe ich bei der vorherigen Geschichte vergessen zu erwähnen, dass ich eventuell mal in Bamberg ein bisschen falsch abgebogen bin, aber erstens tut das nichts zur Sache und zweitens schreibe ich ja den Blog, da wäre ich schön blöd wenn ich so etwas mit reinnehmen würde!
Am Kanal entlang waren wir rasant unterwegs, überholten (endlich mal) die ganzen „Schummelfahrräder“ (Zitat Stefan Müller), ließen uns die Sonne auf die gebräunte Nase scheinen und genossen das tolle Wetter, das uns morgen dann aber wirklich verlassen soll. So kamen wir schon um halb fünf bei Tilmans Cousin Nils und seinem Mitbewohner an, die uns herzlich begrüßten und mit denen wir einen richtig schönen Abend verbracht haben: „Gechillt“, wie man so schön sagt, mit Netflix und Unterhaltungen und Pizza. Das war auch mal wieder nötig nach den ganzen Empfängen!
Ich wollte natürlich direkt mit dem Blog anfangen, dass ich heute Abend schlafen kann, aber vor lauter chillen kam ich einfach nicht dazu. Jetzt aber sitze ich, die WG schläft, am Küchentisch vor einem echten Laptop und schreibe diesen Artikel. Ihr mögt es an den „korrekten“ „Anführungszeichen“, fehlenden Tippfhlern – und Gedankenstrichen – schon bemerkt haben: Ich habe eine richtig echte Tastatur vor mir! Ein echter Luxus nach den letzten Tagen mit Bluetooth-Tastatur oder Handy! Trotz des tollen Schreibgefühls mache ich jetzt mal Schluss; es bleibt nicht so entspannt wie heute, morgen haben wir eine Bergwertung mit Regen vor uns, und da kann bekanntlich Schlaf nicht schaden. Leider auch, in Bezug auf den Regen, nicht viel helfen!
Vielleicht haben wir aber morgen wieder so ein Glück wie heute? Wir sind gespannt!