Mein gestriger vorsichtiger Pessimismus stellte sich als unbegründet heraus: Schon um halb acht verließen wir, früh wie das KiTakind, unsere Herberge in Walldorf. Um nicht zu frieren, traten wir ordentlich in die Pedale: Das Handythermometer verriet uns, dass wir bei 8° unterwegs waren, und so fühlten sich meine Hände und Zehen auch an. Zum Glück durfte ich hinten sitzen; Tilman auf dem Vordersitz muss noch viel mehr gefroren haben.
Nach einigen Kilometern kamen wir an einer Bäckerei vorbei, wo wir kurz Station machten. Da wir uns dort aber nicht drinnen aufwärmen konnten, beschränkten wir unseren Aufenthalt auf das Wesentliche und gaben uns Mühe, schnell wieder Pedale unter den Füßen zu haben.
Langsam klärte sich der Nebel, und ein toller, sonniger Tag kam zum Vorschein: So warm, dass wir einige Zeit später nur noch eine Schicht anhatte und auch den Radtourchic, also kurze Hose mit Leggins, gegen eine reine kurze Hose tauschten.
Weiter und weiter fuhren wir am Werratalradweg entlang, wobei "Tal" mehr Ebenen verspricht, als der Weg halten konnte: Tatsächlich mussten wir ständig am Hang hinauf- und wieder hinabfahren, das sorgte für den einen oder anderen Fluch unsererseits. Thüringen ist landschaftlich zwar wunderschön, hat uns in Bezug auf die Fahrradwege aber nicht überzeugt!
Darüber mussten wir uns aber nicht lange ärgern: Irgendwann nach 13 Uhr passierten wir die thüringisch-bayerische Grenze, an der (uns?) nichts an die alten Grenzanlagen erinnerte, die hier mal gestanden haben müssen. Stattdessen verließen wir ganz unspektakulär das geografische Zentrum Deutschlands und wendete uns dem Südosten zu: auf nach Bayern!
Wir hatten zwar Angst vor den bayrischen Bergen, doch erst mal konnten wir entspannen: ab kurz nach der Grenze fuhren wir bis Lautertal-Neukirchen hauptsächlich bergab.
Bald, viel früher als erwartet, passierten wir das Ortsschild, an dem zusätzlich "'Saint-Tropez' von Lautertal" geschrieben war. Derartig mit hohen Erwartungen versorgt, rollten wir weiter in die Dorfmitte, wo an einem zentralen Platz neben Bierbänken, Stehtischen, einem Bratwurst- und einem Kuchenstand einige Menschen herumstanden und vorbereiteten.
Vermutlich von uns ziemlich überrascht, wir kamen mehr als eine Stunde früher als angekündigt, begrüßten sie uns trotzdem mit Applaus - darüber waren wir wiederum überrascht. Schnell wurden wir verschiedenen Personen vorgestellt, und es kamen dann auch immer mehr. Zum Schluss war es ein echtes kleines Dorffest, und das alles nur für uns! Das heißt, wir waren der Anlass: manchmal braucht man vermutlich einfach einen Anlass für ein Dorffest, und wenn es zwei seltsame Radfahrer sind.
Wir haben sehr viel über unsere Reise erzählt, das Tandem wurde ausprobiert, wir wiederum probierten hervorragende Coburger Bratwürste, lokalen Käse und selbstgebackenen Kuchen. Wir wurden in die schnuckelige Kirche geführt, wo ich ein paar Töne auf der Orgel spielen durfte und wir einige Leiterstufen in Richtung Glocken hinaufkletterten, bis es uns zu wackelig wurde; das Feuerwehrhaus mit altem Löschanhänger und spannender Schlauchaufbewahrung wurde uns präsentiert, und wir konnten uns noch die im großen Umbau befindliche evangelische Jugendbildungsstätte mit zugehöriger, selbstgebauter Arche anschauen.
Außerdem wurden wir noch reich beschenkt: die Ortsvorsteher, der Bürgermeister, die Pfarrerin, der Leiter der Bildungsstätte und der Landrat (in Abwesenheit) überreichten alle unterschiedlich umfangreiche Geschenke, die wir aber - komme was wolle - nicht auf dem Rad transportieren können: außer wir schmeißen das Zelt raus, aber in Büchern, Tellern und Tassen lässt es sich leider schlecht schlafen. Zum Glück wurde angeboten, dass die Dinge nachgeschickt werden können!
So ließen wir den Abend gemütlich ausklingen, unterhielten uns noch gut mit verschiedenen Neukirchenern, bis wir mit Wolfgang, dem Ortsvorsteher, zu ihm nach Hause fuhren; noch mal einige Meter steil den Berg hinauf. Hier wurde uns dann, zu unserem großen Erstaunen, neben einer tollen warmen Dusche noch mehr Essen angeboten; nach der leckeren Kartoffelsuppe verschwanden wir dann aber ziemlich schnell nach oben in unsere heutige, gemütliche Bleibe: der Tag war toll, aber auch wirklich anstrengend.
Jetzt gehen wir unseren gewohnten Aufgaben nach: Tilman schläft, ich schreibe darüber dass Tilman schläft. Und werde diesen Artikel jetzt ohne Bilder hochladen; vielleicht kann Tilman das ja morgen früh ändern?
Edit: hab es jetzt doch selbst gemacht; Bilder gibt es immer auch auf unserem Instagram