Tatsächlich! Beinahe ausgeschlafen erwachte ich heute morgen, später als erwartet, in meinem gemütlichen Schlafsack: Da Tilman wie jeden Morgen nach dem Aufwachen erst mal den Blog gelesen hatte, konnte ich ein bisschen länger schlafen. Ich probiere es einfach noch mal: Tilman, organisiere doch bitte vor dem Wecken noch ein schönes Frühstück und gutes Wetter, danke!
Nach dem Aufwachen wurde der Tag aber erst mal unangenehmer: Durch die nächtlichen kalten Temperaturen war das Zelt von außen komplett nass, und das Gras durchnässte meine Sandalen so sehr, dass Tilman unbedingt die Quietschgeräusche aufnehmen musste. Wir hatten gestern von Martina in Neukirchen-Knüll "Tautreten" gezeigt bekommen: Dabei läuft man morgens barfuß einige Minuten durch nasses Gras, das soll gesund sein und fühlt sich super erfrisched an. Allerdings auch, weil man sich danach in der Wohnung und mit Handtuch aufwärmen kann. In meiner Version mit Sandalen, ohne Handtuch und mit kaltem Fahrtwind nenne ich es "Tauverfluchen" oder "Zehen abfrieren", nicht zu empfehlen, aber wacher ist man danach auch.
Kaltbefusst fuhren wir dann die nächsten Kilometer an der Werra entlang, begleitet von unangenehmem Springkraut-Duft, oft auch durch den wunderschönen Thüringer Wald. Bald mussten wir allerdings wieder hoch hinaus: Vom Fluss fort, enorm steile Straßen hinauf (und ihr kennt ja inzwischen unsere Einstellung zu Steigungen).
Zum Glück für unsere Beine, die bisher auch nur mit Snacks befeuert wurden, kamen wir um halb zehn in Eisenach-Neukirchen an, ein kleiner Stadtteil mit tollem Blick auf die Wartburg.
Begrüßt wurden wir von Ur-Neukirchener und Ortsteilbürgermeister Eckhard und seiner Frau Monika (Ich glaube? Wir sind beide so fürchterlich schlecht im Namen merken, da müssen wir wohl noch dran arbeiten ...). Eckhard führte uns dann durch Neukirchen, während seine Frau das Essen vorbereitete. Bei Essen waren unsere Mägen natürlich hellhörig geworden, doch erst mal liefen wir durch den Ort, schauten uns die Kirche und Orgel an, das Kulturzentrum, die alte Schule, einige Teiche; die neu gebaute Kläranlage, den Vogelnistturm, den Friedhof. Besonders spannend fand ich aber den Spielplatzbereich, mit neu gebautem Bücherschrank und Pavillon. Was diesen Ort besonders machte, waren die ganzen Bäume, die ihn umschlossen und uns das Gefühl gaben, im Wald zu sein: Hätte die Sonne geschienen, wären wir erfreut gewesen, da wir dann unter den Bäumen vor den warmen Strahlen gut geschützt wären. Ein Konjunktiv-Sonnenschutzplatz, quasi!
Danach liefen wir dann zurück zum Haus, wo uns ein großartiges Mahl kredenzt wurde: Erst zartes Gulasch mit Thüringer Kartoffelklößen und Rotkraut, dazu Salat, zum Nachtisch Obstsalat. Und als besonderes Krönchen für uns langweiligen Alkohol-Verschmäher zum Abschluss noch zwei Portiönchen Trinkessig: Essig mit Geschmack, komische Idee, aber lecker!
Danach mussten wir dann aber weiter, denn die größte Aufgabe der bisherigen Tour wartete auf uns: Eisenach! Eisenach ist, nach dem was wir gesehen haben, eine wirklich schöne Stadt mit tollen Sehenswürdigkeiten. Leider ist sie allerdings in Sachen Fahrradinfrastruktur in etwa auf dem Stand von 1900 (vor Christus): Es würde uns nicht überraschen, hätten die Verkehrsplaner von Eisenach in ihrem ganzen Leben noch kein einziges Fahrrad gesehen.
Ohne euch mit zu vielen Details zu überlasten - das schont die Nerven unserer Familien, und wir wollen ja auch keinen Katastrophentourismus machen - wir fuhren irgendwie lebend aus Eisenach heraus zur "Hohen Sonne", 400 Höhenmeter hinauf. Von hier hätten wir weiter auf der engen Bundesstraße ohne Fahrradweg bleiben können. Zum Glück gab es aber inzwischen einen sogenannten Fahrradweg: Mit viel großem Kies, Löchern und etwa 200 Meter höher verlaufend als die Straße. Da ging es also hoch, im wahrsten Sinne des Wortes, denn an Fahren war mit unserem Mountain-Tandem nicht zu denken.
Aber genug der Beschwerden über gurkige Fahrradwege: Oben wurden wir mit einem wunderschönen Blick über die Täler belohnt, und bergab war der Weg zum Glück zu großen Teilen asphaltiert. So bretterten wir hinunter, der Lenkende recht gemütlich, der hinten Fahrende in Todesangst, und kamen bald wieder an die Werra, die wir für Neukirchen und blöden Berg verlassen hatten. Hier entlang fuhren wir bis Walldorf, wo wir super freundlich von einer "Warm Showers"-Familie aufgenommen wurden, die uns Tilmans Freundin Ida (Abkürzung: Incredible Driving Assistant) organisiert hatte. Bei Henrik, Elisa und ihren zwei Kindern konnten wir uns ausruhen, duschen und sogar Pizza essen, guckten zwei Videos von "Sendung mit der Maus" mit, und Tilman durfte sogar schon Playmobil spielen!
Als die Kinder im Bett waren, wurde uns noch die in der Nähe liegende, wunderschöne Burgkirche gezeigt: vor einigen Jahren abgebrannt, wurde sie mit tollen neuen Fenstern und Storch-, Schwalben-, Insekten-, etc.-freundlich neu aufgebaut. Bisher unsere Lieblingskirche, und auch neu - nehmen wir sie nun mit in unsere Tour auf, oder müssen wir noch mal eine Walldorf-Tour machen?
Während Tilman sich dann noch nett mit unseren Hosts unterhielt, die eine großartige Tandemreise durch Europa und (Zentral-) Asien gemacht haben, begann ich mit dem Blog.
Als er dann gerade mit Ida telefonierte, wurstelte ich am Mittelteil herum.
Und jetzt, wo er eingeschlafen ist, kann ich endlich aufhören. Morgen haben wir einen Termin, für den wir uns, wenn wir pünktlich sein wollen, extrem sputen müssen. Ich bin gespannt und vorsichtig pessimistisch - mal sehen, ob wir morgen tatsächlich so früh loskommen wie geplant.
Hier wird berichtet, und es wird spannend!