Samstag 05.08.
An was denkt ihr, wenn ihr Finnland hört? Nach Schnee und Sauna kommen sicherlich auch die Mücken. Und mit den letzteren hatten wir an diesem Morgen echt ein Problem! Ihr könnt ja mal zählen wie viele Mücken wir zwischen Innen- und Außenzelt gefunden haben!
Das Abbauen ging fixer als sonst. Es war geradezu eine Flucht vor den Mücken!
Übrigens: wir befinden uns jetzt schon nördlicher als Umeå!
Wieder auf der Straße fanden wir auch schon bald einen Radweg vor. Wir hatten zwar schon gehört, dass Oulu eine der Fahrradfreundlichsten Städte im Norden ist, aber dass der Einfluss soweit reicht hätten wir nicht gedacht! Dieser schöne Radweg führte uns auf jedenfall entspannt nach Oulu rein, wo Tilman sich erstmal Magic Karten von Herr der Ringe holte.
In der Innenstadt genossen wir die Sonne, bis sich Susanne, unsere Warmshowershost, dazugesellte. Dann genossen wir weiter die Sonne nur halt eben zu dritt. Susanne ist mega cool. Sie ist erst vor kurzem aufgrund der steigenden Temperaturen in Deutschland in den Norden gezogen und hatte viel zu berichten.
Als die Sonne hinter den Häusern verschwand machten wir uns auf und Susanne zeigte uns die gute Fahrradinfrastruktur von Oulu. Genial! Als Fahrrad hat man meistens ganz eigene Wege und kommt kaum in Kontakt zu Autos. So soll es sein. So geht man sich gegenseitig nicht auf den Keks!
Susanne wohnte am Rande der Stadt zusammen mit ihrer Katze Wurz. Die war irgendwie nicht so begeistert. Vielleicht wegen unseres Geruchs? Wer weiß... Selbst nach einer ausgiebigen Dusche und den Klamotten in der Waschmaschiene konnten wir uns nicht wirklich anfreunden...
Dafür verstanden wir uns umso besser mit Susanne und quatschten bis weit nach Mitternacht! Was man bei den hiesigen Lichtverhältnissen immer erst zu spät merkt.
Sonntag 06.08.
Manchmal ist es praktisch einen mega entspannten Host wie Susanne zu haben! Der dringend benötigte Schlaf konnte in aller Ruhe nachgeholt werden. Nur manchmal unterbrochen vom Mauzen von Wurz. Vielleicht mochte er die beiden stinkenden Eindringlinge nicht?
Susanne und wir wachten circa zur gleichen Zeit auf und waren uns alle einig, dass ein entspanntes Frühstück/Brunch genau das richtige ist. Es gab Grieß, was man hier überall in den Märkten bekommt, und selbstgepflückte Johannisbeere aus dem Garten.
Eine Idee für heute war in den botanischen Garten in Oulu zu gehen. Allerdings merkten wir zu spät, dass wir etwas zu lange gequatscht hatten, als dass es sich noch lohnt. Also gingen wir einfach ein bisschen in der Gegend spazieren. Zunächst über den Discgolf Platz, was in Finnland wirklich ein Ding zu sein scheint! Manche Spieler waren professioneller als andere. Zumindest gemessen an der Anzahl an Discs in ihren Discgolf Rucksäcken. Ja es gibt spezielle Rucksäcke für Discgolf :-)
Weiter ging es zum Strand und einer künstlichen Landzunge, wo wir bei schönstem Wetter auf die Ostsee schauen konnten. Irgendwie verrückt dieses Wetter im Norden!
Auf dem Heimweg fanden wir noch wilde Himbeeren. Zum Glück hatten wir aus der einen Dose schon genug Johannisbeeren gegessen, so dass wieder Platz für neue Beeren war!
Wieder bei Susanne angekommen ließen wir den Abend ausklingen, in dem wir Nudeln mit Auberginenfüllung selber machten. Der Aufwand ist nur mit der unendlichen Zeit zu rechtfertigen, die wir hatten. Aber es machte Spaß! Nicht nur das herstellen, sondern auch das Essen :)
Montag 07.08.
Die Zeit mit Susanne ist einfach zu schön und irgendwie schafften wir es unsere Abfahrt bis 14:30 hinauszuzögern. Essen und Quatschen braucht ja seine Zeit...
Obwohl der Fahrradtag vergleichsweise kurz war, so tat er sein bestes in diese kurze Zeit viele verrückte Sachen zu quetschen.
Es fing damit an, dass wir bei einer kleinen Pause am Wegesrand auf einen Velomobilfahrer aus Schweden trafen. Natürlich kamen wir sofort ins Gespräch und er meinte wir sollen ruhig mit zu seinen Freunden in ein paar Kilometern kommen, da irgendwas an seinem Velomobil kaputt war. Da es eh auf der Route lag, fuhren wir ihm einfach hinterher. So ein Velomobil kann echt schnell sein! Einige Minuten später kamen wir bei seinem Freund an und bekamen erstmal Eis aufgetischt. Sehr nett!
Danach packte er sein Velomobil aus um es auf die Seite legen zu können. Irgendwie erstaunlich viel Stauraum in dem kleinen Ding! Wir legten es auf die Seite und er erklärte uns, dass ein Tacho nicht mehr die Geschwindigkeit anzeigt. Da hilft nur eins: den Magneten in den Speichen wieder auf die richtige Höhe zu bringen. Gesagt getan. Das wieder einräumen dauerte allerdings seine Zeit. Zumal er sehr gerne nebenbei quatschte. Zusammen fuhren wir dann irgendwann weiter, bis er uns aufgrund seiner Geschwindigkeit abhängte. Etwas später trafen wir ihn, an einem Café sitzend wieder. Dort mussten wir feststellen, dass die eine Seite der Halterung von Gepäckträger vom Lastenrad gebrochen war. Irgendwie ein sich durchziehendes Thema unserer Reise. In dem Fall war es keine allzu kritische Stelle und wir beschlossen weiterzufahren und uns bald möglichst darum zu kümmern. Natürlich steuerten wir wieder einen der Lavuus an. Richtig schön, direkt am Strand! Ein Auto mit Wohnanhänger stand dort und wir kamen mit der Familie ins Gespräch. Sie waren Imker und fahren jetzt durch Finnland um für ihren besonderen Honig zu werben. Er fragte uns welches der Beste Weihnachtsmarkt in Deutschland sei, weil man da wohl den Honig sehr gut verkaufen kann. Wir bekamen sogar noch einige Kostproben mit!
Für die Nacht fuhren sie allerdings weiter, weil die Schulferien der Kinder bald endeten und sie dringend nach Hause mussten.
Tilman machte noch Feuer um Essen zu kochen und ich kämpfte gegen die Mücken um das Zelt aufzubauen. Da hatten wir mal wieder richtig Glück mit dem Campingplatz! Was gibt es schöneres als beim Rauschen der Wellen einzuschlafen?
Dienstag 08.08.
Ein sehr untypischer finnischer Morgen: 25°C, Sonnenschein und Strand. Dementsprechend trödelten wir natürlich noch ein bisschen und gingen sogar mit den Füßen etwas ins Wasser. Auf dem Weg zurück zu unserer Route fuhren wir an vielen Häusern mit großen Grundstücken und Garagen vorbei. An einem davon hielten wir an, weil wir jemanden draußen gesehen hatten und der Gepäckträger eine Reparatur benötigte. Tilman sprach den Mann an, der dann einen anderen Mann holte, der allerdings auch kein Englisch konnte, der dann seine Frau holte, die etwas Englisch sprach. Das Gute war aber, dass sich unser Problem gut ohne Worte erklären ließ. Offenbar hatten wir wieder unverschämtes Glück, denn als wir in die Garage/Werkstatt fuhren, sahen wir eine Metallschmelze, Schweißwerkzeug und vieles mehr. Offenbar waren wir beim richtigen Mann gelandet - einem Metallarbeiter :-)
Ratzfatz hatte er eine Idee und keine 10 Minuten später, hatten wir ein perfektes, niegel nagel neues Teil! Man merkt garnicht, dass es nicht kommerziell gefertig wurde! Wir bedankten uns höflich auf finnisch: Kiitos!
Sehr glücklich und überwältigt von dieser schnellen Lösung fuhren wir weiter und trafen auch schon bald wieder auf einen anderen Radfahrer. Zusammen fuhren wir ein kleines Stück durch den Wald, aber da wir langsamer unterwegs waren, trennten sich bald unsere Wege.
Am heutigen Tag übertraten wir auch die Grenze nach Lapland. Bei 30°C im Schatten. Sehr ungewöhnlich. Eigentlich sind wir ja in den Norden gefahren um etwas kühleres Wetter zu haben.
In Kemi machten wir Pause und aßen erstmal ein halbes Kilo Eis im Block und legten uns am Hafen unter einen Baum - diese Temperaturen waren wir wirklich nicht mehr gewohnt!
Gemessen an der Personenzahl, die uns ansprach, lagen wir an einem sehr frequentierten Weg. Ein Engländer und seine finnische Frau sprachen sehr lange mit uns und konnten mir sogar ein paar Tipps bezüglich unserer Mission in Rovaniemi geben.
Als die Hitze langsam nachließ, schwangen wir uns auch wieder auf die Räder und wurden vom Wind nur so hochgepustet. Die Wärme raubte uns etwas unserer Lust noch weiter zu fahren und so hielten wir an einem früheren Laavu an. Diesmal war er schon "besetzt" mit eine niederländischen und einem französischen Campingwagen. Die niederländer hatten schon ein Feuer gemacht und wir stellten unseren Topf Wasser mit drauf.
Die Niederländer waren mega cool und als das Gewitter kam, suchten wir alle im Lavuu Schutz und sahen aus sicherer Distanz zu wie die Blitze in der Ferne leuchteten.
Mittwoch 09.08.
Fast den ganzen Vormittag verbrachten wir noch mit unseren Campingnachbarn beim Frühstück.
Danach folgten wir mit ein bisschen Regen dem Kemijoki Fluss in Richtung Rovaniemi. In Muurola machten wir nochmal Pause beim Krankenhaus. Keine Sorge - niemand von uns ist verletzt! Es besteht nur die Vermutung, dass meine Oma während des zweiten Weltkrieges hier als Krankenschwester tätig war. Also ging ich ein bisschen rum und sah mir alles genauer an. Und hatte sogar eine unerwartete Begegnung. Aus dem Weg rechts vor mir kam plötzlich ein Rentier raus! Es war wohl genauso überrascht wie ich und so standen wir beide da und starrten uns an. Nachdem es gecheckt hatte, dass ich auch nur rumstehe, machte es sich daran Blätter vom Baum zu rupfen und zu essen. Lustige Begegnung! Und das erste Rentier auf dieser Reise!
Für den Abend fanden wir wieder ein Lavuu am Fluss. Unzugänglich für Autos, hatten wir unsere Ruhe aber leider kein Feuerholz. Naja so ist das manchmal.
Donnerstag 10.08.
Es regnet, es regnet, die Erde wir nass, wir liegen im Zelt und werden nicht nass. Und schlafen einfach weiter, bis es aufhört.
Gesagt getan. Als wir abbauten, kamen zwar noch ein oder zwei Tropfen runter, aber das können wir verkraften.
Bei nicht so angenehmen Wetter kamen wir in Rovaniemi an und fuhren erstmal zum Lild um zu frühstücken. Dort wurden wir von jemandem angesprochen, der auch häufiger kleine Touren mit dem Rad gemacht hatte.
Unser erstes Ziel in Rovaniemi war das Lokal Historische Museum, mit dem ich vorher schonmal Kontakt per Mail aufgenommen hatte zwecks Familienforschung. Die verwiesen uns dann nochmal weiter ins "Arktikum", wo es eine geschichtliche Ausstellung geben soll. Zuvor setzten wir uns noch ein bisschen ans Ufer des Kemijoki Flusses, dem wir seit der Mündung bis hierher gefolgt waren. Die Deutschen zerstörten während des zweiten Weltkrieges nach dem Prinzip der "verbrannten Erde" leider einen sehr großen Teil der Stadt, so dass das Stadtbild heutzutage von modernen Häusern geprägt ist. Die 1950 neueingeweihte Kirche war von Innen mega schön bemalt und sehr einladend. Während Tilman sich die Kirche von Innen ansah, stellte ich mich unter einen Unterstand um nicht nass zu werden. Irgendwann fuhr ein Transporter vor und ich half den Leuten beim Ausladen des Kofferraums mit reichlich Brot für die Tafel. Als Dankeschön bekamen wir einen leckeren Joghurt geschenkt :-)
Beim Arktikum angekommen, entschieden wir uns, dass ich reingehe und Tilman draußen wartet. Schließlich war ich ja an der Geschichte interessiert.
Das Arktikum ist übrigens ein Museum, was ich jedem empfehlen würde, wenn man in Rovaniemi ist. In der Mitte ist ein heller, großer Gang mit eine gewölbten Decke aus Glas. Dadurch entstehen, je nach Wetter, verschiedene Eindrücke im Inneren. Auf der rechten Seite vom Museum ging es um die lokale Geschichte von Lappland und ein paar Tiere, während sich die linke Seite mit den aktuellen Änderungen in den polaren Regionen der Erde befasst. Hier ins Detail zu gehen würde den ohnehin schon langen Blogeintrag sprengen, aber ihr dürft jederzeit per Mail oder anders nachfragen :)
Kurz hinterm Arktikum riss dann meine Fahrradkette bei einer absurden Steigung. Also die kaputten Kettenglieder raus, Kette wieder zusammen und Hände waschen im Museum. Beim nächsten Mal ersetzen wir einfach die komplette Kette, mit der neuen aus Rumänien.
Die Landschaft rund um Rovaniemi ist richtig schön! Flüsse, Seen und Wälder! Und nur kurz hinter der Stadt: Santa Klaus Dorf und ein falsch positioniertes "Arctic Circle" Schild. 66°33′49.6″ ist der aktuelle Breitengrad und das Schild wurde einige Kilometer davor platziert. Für Naturwissenschaftler, die es manchmal genau nehmen - eine unbefriedigende Schlamperei...
Hinter Rovaniemi ist die Navigation auch viel einfacher. Es gibt einfach nicht mehr genug Straßen und so folgten wir einfach der 4. Ein Lavuu direkt an der Straße sahen wir uns genauer an und entschieden uns sofort dagegen. Menschen können so ekelhaft und Assi sein... Überall liegt benutztes Klopapier rum, vor der Toilette hat jemand einfach seine Toilette in Plastiksäcken gelassen und das Feuerholz war natürlich auch alle. Schnell weg von hier.
Der nächste erforderte ein bisschen mehr in den Wald reinzufahren. Der Weg führte uns zu einem Parkplatz wo ein paar Camper schon ihr Lager eingerichtet hatten. Eine französische Familie erzählte uns, dass sie uns vor ein paar Kilometern überholt hatten - sogar mit Beweisfoto! Sie wollen zu dem Lavuu im Wald gehen um dort ein kleines Feuerchen zu machen. Also schlossen wir uns Ihnen an, beziehungsweise fuhren vor, da wir ja auch dort hin wollten. Der Weg war ein Holzpfad über dem Gebüsch, so dass alles auch für Rollstuhlfahrer zugänglich ist. Der Lavuu befand sich auf einer kleinen Insel im Fluss und man hörte das Rauschen das Wassers von jedem Punkt aus. Was wir beim Lavuu vorfanden war wieder purer Luxus. Zwei Feuerstellen mit Unterschlupf, mega saubere Komposttoiletten, und viel Feuerholz.
Die Familie traf auch irgendwann mit ihrem Essen ein und wir saßen noch lange zusammen am Feuer. Es hat richtig Spaß gemacht uns mit ihnen zu unterhalten und als Tilman schon längst im Bett war, philosophierten die Eltern und ich noch über Gott und die Welt.
Freitag 11.08.
Nachdem wir mehrere Wecker überhört hatten wachten wir langsam auf und waren froh unser Zelt im Lavuu aufgebaut zu haben. So war es zumindest trocken geblieben. Irgendwann kam eine Jugendgruppe mit Betreuern. Sehr laut und irgendwie fühlte es sich sehr invasiv an. Vorallem weil ein "Guten Morgen" nicht drin zu sein scheint... Der Lärm ging weiter, indem sie (eigentlisch schon vorzerkleinertes) Holz laut mit der Axt noch kleiner machen wollten. Dabei verwendeten sie absurd viel Holz, sodass wir uns garnicht mehr wundern, warum wir manchmal kein Holz mehr vorfinden, wenn wir es brauchen. Unserer Meinung nach könnte man mit den gegebenen Ressourcen etwas sinnvoller umgehen. Ob gleich zwei Lagerfeuer morgens um 10 Uhr sein müssen ist eine andere Frage.
Da sie uns auch immer mehr auf die Pelle rückten ohne jede Rücksicht oder Kommunikation seitens der Betreuer entschlossen wir uns schnell abzubauen und das Frühstück auf den Parkplatz davor zu verlagern.
Dort hatten wir unsere Ruhe und die Sonne schien ins Gesicht. Ein viel verprechender Tag! Wobei wir 27°C nicht in Lappland erwartet hätten... Seid Rovaniemi gibt es leider nicht mehr so viele Straßen und uns bleibt nichts anderes übrig, als die Straße mit den Autos zu teilen. Ein krasser Kontrast zu den Tagen zuvor und durch den Autolärm bekam ich dann irgendwann auch noch Kopfschmerzen. Insgesamt war es aber ein sehr schöner Tag. Wir sahen sehr viele Rentiere am Straßenrand und auf der Straße. Einmal sogar eine Mutter mit einem noch sehr kleinen Rentier. Diese Tiere sind einfach mega cool und wir sehen sie in einer Zeit, wo das Geweih fast das Maximum erreicht hat. Sehr ästhetisch!
Hier und dort machten wir mal Pause an einem See und ärgerten uns ein bisschen über den Dreck, den einige Leute hinterlassen.
Gegen Abend steuerten wir einen Strand am Fluss an, den wir auf der Karte gesichtet hatten. Leider gab es vor Ort ein explizites Schild "no Camping". Also doch weiter... Jetzt liegen wir ein paar Kilometer weiter im Wald und hören dem Gewitter beim grollen zu. Zum Glück in unserem warmem und trockenen Zelt!