Just two wheels

Wollt ihr Sauna?

4. August 2023

Unsere erste Woche in Finnland: uns erwarten viel Natur, viele Mücken und viele Seen. Doch wir genießen es - diese Freiheit!

Samstag 29.07.

Studenten WGs haben den Vorteil, dass der Tag immer etwas später anfängt. Heute hatten wir ja auch nicht viel mehr vor als zum "world naked bike ride" zu gehen. Eine große Fahrraddemo von der wir schon gehört hatten. In London machen dort auch hunderte von Leuten mit. Es ist wie eine Critical Mass nur halt dass alle nackt sind. Um zu zeigen, wie vulnerabel Radfahrer häufig im Straßenverkehr sind. Wir hatten schon Kontakt zum Veranstalter aufgenommen und freuten uns auch Micheal, zu treffen. Wir wurden durch Maria aus Warschau in Sachen sleepy.bike an ihn weitervermittelt.

Michael war super erfreut uns kennenzulernen und wir freuten uns auch! Richtig angenehmer Zeitgenosse.
Leider war der angebliche "wärmste Tag des Jahres" dieses Jahr ganz anders. So funktioniert leider Statistik und kurz vor Beginn der Veranstaltung begann es heftigst zu schütten... Ob deshalb nur so wenig Leute gekommen waren? Als es losging waren wir auf jedenfall nicht mal ein Dutzend und da ich vorne auf dem Lastenrad unbeweglich durch den Regen kutschiert wurde, verzichtete ich auf das "naked" und machte nur beim bike ride mit. Wir fuhren mit den anderen durch die Stadt. Eine ganz andere Art des Sightseeings! Auch für die normalen Passanten unvergesslich. Vermutlich hätte es mehr Wirkung gehabt, wenn mehr Personen daran teilgenommen hätten... Zwischendurch haben wir unsere Truppe mit ein paar Mädels von einem Jungesellinenabschied aufgestockt, die uns allerdings kurz vor dem Ziel verließen - die "Sompa Sauna". Eine von der Öffentlichkeit für Alle betriebende Sauna. Typisch Finnisch! Direkt am Wasser zum abkühlen von der Hitze. Obwohl die Hitze uns allen gut tat. Gabriel, den wir bei dem coolen Campingplatz in Estland getroffen hatten, konnten wir übrigens auch überzeugen mitzufahren und er war einer der ersten in der Sauna. Alle anderen folgten bald. Als Anfänger gingen wir erstmal in die moderate Sauna, wo ich auch gleich von einem Finnen angesprochen wurde, welches denn die beste Sauna in Deutschland sei. Meine Antwort: er wäre vermutlich von jeder enttäuscht. Nur Gabriel traute sich in die Sauna der nächsten Stufe. Nachdem er nach ca 30 sekunden mit einem Schwall von Dampf wieder rausgeschossen kam, verzichteten wir anderen auf weiter Experimente mit der heißeren Sauna.

Bild von Naked bike ride
Bild von Helsinki Kirche
Bild von Sompa Sauna

Zurück bei Alex in der WG ging es dann auch gleich weiter in die "bike kitchen". Erinnert ihr euch an Bratislava? Genau sowas nur weniger verrückt und mega gut organisiert! Ein Traum für jeden Bastler!
Wir probierten natürlich diverse komische Räder aus und quatschten noch ewig mit Alex.
Ein typsich untypischer, finnischer Tag in Helsinki.

Bild von Bike kitchen Helsinki

Sonntag 30.07.

Ein reichhaltiges Frühstück: Spiegelei mit den übrigen Eiern und finnischer Grieß mit 1l Milch. Wenn man mal nicht genügend Energie für den ersten Fahrradtag in Finnland gibt. Allu entschied sich uns noch bis nach Vantaa zum Planerarium zu begleiten. Was unser Glück war, den er kannte einen super schönen Weg durch den verwinkelten Wald. Ein Alptraum für die Navigation - außer man hat einen Einheimischen dabei :) So vergingen die ersten 20km wie im Flug.

Tilman bliebt draußen und genoss die Sonne, während ich in das "Herueka" Museum ging. Neben dem Planetarium gab es noch ganz viele andere Exponante die zum entdecken und denken anregen. Ich kam ins Gespräch mit der jungen Frau am Schalter und sie war ganh begeistert und berichtete mir alles, was sie wusste. Kurz vor der neuen Show durfte ich sogar mit ihrer Kollegin rein in die Kuppel und mir die Planetariumstechnik genauer ansehen. Hier hatten sie wieder ein leicht gekipptes Planetarium in eine Richtung. Leider waren alle, die sich überwiegend um das Planetarium kümmern gerade im Urlaub, so dass ich Details wohl noch per Mail rauskriegen muss. Die beiden Frauen, mit denen ich sprach waren aber super mega lieb und haben das Beste ihrer Möglichkeiten getan.

Bild von Heureka Museum 1
Bild von Heureka Museum 2
Bild von Heureka Museum 3

In Finnland haben sie übrigens wieder sehr gute Radwege und Kreuzungen. Praktisch unter jeder Autokreuzung gibt es eine Fahrradkreuzung, so dass man praktisch nie mit den Autos in Berührung kommt. Nur manchmal doof, weil man dadurch viel hoch und runter fahren muss.

Für die erste Nacht in Finnland steuerten wir einen der Plätze aus der Datenbank von Allu an. Leider war dieser eher semi optimal, da wir unsere Räder nicht über Wurzeln und große Steine hochschieben konnten. Also eher ein Platz für Wanderer. Wir suchten also weiter, was etwas schwieriger war, da alles privat markiert war und wir nicht gleich am ersten Tag Stress bekommen wollten. Also fuhren wir durch ein gutes Stück bewirtschafteten Wald und kämpften uns durch die Wege bis wir endlich an einem der "Lavuus" ankamen. Super schön und durchdacht! Ein Plumpsklo, Feuerholz, überdachte Feuerstelle und ein Shelter. Warum funktioniert sowas in Deutschland nicht? Da es schon relativ spät war, machten wir kein Feuer sonder aßen in unserem Zelt, geschützt vor Mücken ein paar Kekse.

Bild von Lavuu 1.1
Bild von Lavuu 1.2

Montag 31.07.

Wer spät ins Bett kommt darf ausschlafen - zumindest auf Fahrradtour. Insbesondere, wenn man so einen schönen Platz hat! Also frühstückten wir noch, trugen uns in das Gästebuch ein und machten uns los. Vor uns war übrigens eine Gruppe Pfadpfinder aus Deutschland dort.

Wir freuten uns sehr auf die heutige Route, denn sie führte direkt durch und über die große Seenlandschaft in Finnland. Unsere Erwartungen wurden nicht enttäuscht! So eine schöne und außergewöhnliche Landschaft raubte uns fast den Atem zu Radfahren. Also erstmal Zeit für eine Pause. Natürlich direkt am Ufer eines Sees.

Bild von See in Finnland Klappe die Erste
Bild von Tilman napt am See

Die Seenlandschaft war vom Höhenprofil sehr abwechslungsreich. Wir hatten das Gefühl, dass die Seen auf unterschiedlichen Höhenleveln liegen und man dadurch von See zu See immer mal hoch und wieder runter muss.

Wir fuhren neben Seen auch viel durch Wälder und Tilman schaute sich diese faszinierende Landschaft nochmal aus der Vogperspektive an. Zu schön um wahr zu sein. Dachte sich wohl auch das Wetter, denn es fing an zu regnen. Bei einem Supermarkt suchten wir Schutz und warteten das Gröbste ab.

Unsere Motivation noch weiter zu fahren hielt sich in Grenzen und anstelle von einem Lavuu begnügten wir uns mit der freien Fläche neben einem Funkmast.

Dienstag 01.08.

Fast pünktlich um 08:00 wurde ich von Tilman geweckt. Froh, dass wir nicht alles wieder hochfahren mussten, legten wir also los. Hoch ging es heute nämlich noch zur genüge. An einem der tausend Seen machten wir Pause und knabberten Reiswaffeln mit Erdnussbutter und Marmelade. Finnland ist hügeliger als gedacht, denn zwischen hier und dem nächsten Lild, kurz vor Jyvaskyla, kamen wir ganz schön ins schwitzen. Während ich also einkaufen ging und dabei deutlich den Preisanstieg merkte, quatschte Tilman mit einem Herren, der in "seiner Jugend" durch Südamerika gehitchhiked ist. Mit einem Kilo Joghurt mehr im Bauch setzten wir unseren Weg Richtung Planetarium fort. Auch komisch, dass es soweit außerhalb der Stadt sei soll... als wir an einem Fahrradpark vorbeikamen, erinnerten wir uns, das meine Reifen mal wieder ein paar bar mehr gebrauchen könnten. Das letzte Mal hatten wir sie in Rumänien bei ca 30°C aufgepumpt. Als ich im Shop nachfragte, ob ich mir kurz eine Pumpe ausleihen dürfte wurde ich auch gleich gefragt, ob ich denn überhaupt wisse, wie so eine Pumpe funktioniert.... Frechheit! Tilman wäre sowas sicher nicht gefragt worden. Naja. Zur Überraschung wusste ich, wie sie funktioniert und gab sie ne Minute später wieder zurück.


Als wir beim Plani ankamen, war es leider zu und auch oben beim Observatorium war niemand zu finden. Die Internetseite gab es auch nur auf finnisch, was etwas unassagekräftig war.

Bild von Finnlands Strassen
Bild von Planetarium im Wald
Bild von Planetarium im Wald 2

Also fuhren wir weiter. Hoch und runter. Und dann fing es auch noch an zu regnen. Dem Wetterbericht nach zu urteilen, hätte es so schon die letzten Tage aussehen sollen. Zu unserem Glück, kann man ihm nicht immer trauen. Im Nieselregen schoben wir unsere Räder dann durch den Wald zu einer Feuerstelle mit Unterschlupf.
Heute gibt es also wieder das wärmende Feuer und wir überlegten sogar das Zelt nicht aufzubauen und im Unterschlupf zu nächtigen. Ein großes Wespennest in der Hütte machte den Plan leider zunichte. Jetzt sitze ich im trockenen Zelt, mit einem Magen voll warmen Essen und bin bereit ins Land der Träume zu verschwinden.

Bild von Lavuu 2.1.
Bild von Lavuu 2.2.
Bild von Lavuu 2.3.

Mittwoch 02.08.

In der uns umgebenden Ruhe des Waldes packten wir gemütlich unsere Sachen ein. Darauf folgte eine Störung der grünen Ruhe, als wir unsere Fahrräder relativ laut wieder über Wurzeln und Steine hin zur Straße schoben. Die weitere Fahrt ging durchs Grün. Rechts Wald. Links Wald. Und (fast) keine Autos. So ruhige Tage hatten wir wohl zuletzt auf dem Kanal von Brest nach Nantes. Beim Eingang vom Pyhä-Häkin Nationalpark machten wir Pause. Zum einen war es überdacht und zum anderen gab es Trinkwasser. Ersteres kam uns zugute, den es fing ordentlich an zu schütten. Bei den grauen Wolken, die uns schon den ganzen Tag begleiten - kein Wunder.

Bild von Regen in Finnland

Aber es schien, als hätten wir mal wieder Glück gehabt. Dies hielt leider nicht lange an. Fast wäre der Tag ja langweilig geworden, wenn da nicht der Platten am Liegerad gewesen wäre. Mitten auf einer befahrenen Straße und im strömenden Regen. Hier mal wieder ein kleiner Praxistipp, falls ihr mit dem Rad unterwegs seid: lieber einen Ersatzschlauch dabei haben, als im strömenden Regen flicken zu müssen!
Ordentlich Luftdruck konnten wir dann im nächsten Dorf/Häuseransammlung draufgeben, dank eines Herren, der uns seinen Kompressor zur Verfügung stellte.
Mittlerweile hatte der Regen aufgehört und wir haben ihn gegen eine sandig-steinige Straße eingetauscht. Ihr merkt - der Nachmittag war etwas anstrengend. Wir freuten uns aber auf unseren kleinen Campspot, diesmal leider ohne Holz, dafür mit trockenem Zelt und warmen Schlafsäcken :)

Bild von Pilze in Finnland
Bild von Lavuu 3.1

Donnerstag 03.08.

Obwohl es in der Nacht ordentlich geregnet hatte, war unser Außenzelt am nächsten Morgen gut trocken - ein Glücksfall, der wohl eher dem Wind zu verdanken ist. Unser Frühstück nahmen wir in der Mückenfreien Zone, oder auch unserem Zelt, ein und starteten relativ spät in den Tag. Was auch nicht so schlimm war, denn Landschaftlich änderte sich nicht viel. Die Wege waren weiterhin nicht asphaltiert, aber zumindest doch sehr gut befahrbar. Der Wald war dicht und wenn man hinneinschaute, dann war er voller großer Steine, die über und über mit Moos verziert waren. Ein ziemlich mysthischer Anblick! Trotz der eher durchwachsenen Wettervorhersage schien die Sonne fast den ganzen Tag durch - perfekt für die Solarzelle und das Gemüt. Die doch sehr schöne, aber unabwechslungsreiche Landschaft schlug mir irgendwie auf die Stimmung, wobei es nicht half, dass das Liegerad mitten auf einer Schotterpiste wieder einen Platten bekam. Immerhin hatten wir Sonnenschein und konnten uns die Sache nochmal in Ruhe ansehen. Tilman fand dieses Mal sogar den Übeltäter: ein Glassplitter, der so halb tief im Mantel steckte und offenbar nur dann in den Schlauch sticht, wenn man genau die Stelle mit einem Stein trifft. Was erklärt, warum der Reifen so lange gestern und heute noch die Luft gehalten hat. Da wir jetzt den Übeltäter gefunden und auch noch Zeit hatten, packten wir dieses Mal einfach einen Flicken drauf und hoffen, dass es hält.

Bild von Fahhrad flicken

An einer kleinen Wegeskreuzung machten wir dann Snackpause. Unterbrochen wurden wir dann von einem Auto, dass es offenbar nicht schaffte, auf der doch seeeehr breiten Einfahrt einen kleinen Bogen um unsere Räder zu machen. Stattdessen mussten wir nach einer etwas umständlichen Kommunikation die Räder beiseite schieben - und so wie das Auto gefahren ist, hätten sie da auch stehen bleiben können.

Bild von Kleine Kreuzungen in Finnland

Die letzten 20km bis nach Haapajärvi fuhren wir ausnahmsweise asphaltiert auf einer etwas größeren Straße. Überwiegend bergab, was uns sehr gefiel :-)
In der Stadt ("I love HPJ") stockten wir nochmal unsere Vorräte auf. Auf dem Marktplatz war offenbar irgendein Volksfest. Zumindest tanzten Leute zu sehr bayrisch klingender Volksmusik.
Zum schlafen steuerten wir wieder einen der Lagerfeuerplätze an, die auf unserer Karte verzeichnet waren und wurden mit einem Luxus überrascht: unendliches Holz, eine große, saubere Hütte sowie ein sauberes Plumpsklo. Wir waren gerade dabei das Feuer anzumachen, da kam ein Mann vom Dorf und brachte uns noch ein Feuerzeug. Vermutlich hat er uns von seinem Traktor aus gesehen. Keine 30 Minuten später kam auch noch Helka auf ihrem Quad vorbei und zeigte uns ein paar coole Tipps fürs Feuer und irgendwie hatten wir auch plötzlich eine Einladung zur Sauna. Etwas finnischeres hätte uns nicht passieren können. Helka und ihrem Mann gehört das Land und sie waren sehr überrascht ausländische Leute in der Hütte vorzufinden. Normalerweise wird sie nur von einheimischen genutzt. Sie holten uns mit ihrem Jagdwagen ab und fuhren uns zu ihrem nahe gelegenen Haus, wo das Feuer der Sauna schon gut brannte. So ein Luxus! Den wir natürlich genossen und wir spürten, wie die Hitze unseren Muskeln gut tat. Draußen quatschten wir noch lange mit den beiden. Die Kommunikation lief sehr gut, denn die beiden waren sehr interessiert ihr Englisch zu üben und mussten nur ab und zu mal den Übersetzer befragen. Mit manchen Menschen versteht man sich einfach auf Anhieb gut. Trotz kleiner Sprachbarriere :-)
Als wäre die Einladung zur Sauna nicht genug, wurden wir am nächsten Morgen auch noch zum Frühstück eingeladen und sogar zur Hütte und den Rädern zurück gefahren.
So einen Ausgang des Tages hätten wir uns am Morgen nicht träumen können!

Bild von Lavuu 4.1
Bild von Lavuu 4.2
Bild von Lavuu 4.3.

Freitag 04.08.

Unser erstes Ziel war garnicht weit: das Haus unserer Sauna Gastgeber. Am Abend zuvor fragten sie uns ja noch ab wir Porridge essen. Naja sie hatten nicht nur Porridge sondern der ganze Tisch war voller Leckereien! Das hätten wir nicht erwartet! Das Frühstück artete in einen Brunch aus, weil wir uns mit den beiden einfach so gut verstanden, dass die Zeit wie im Pflug verging!
Die Uhrzeit, zu der wir dann wirklich losfuhren teilen wir hier lieber nicht mit.

Ein bisschen begann es zu pieseln und wir machten ein bisschen Pause bei einem Lavuu See.

Als wir die einsame Straße weiterfuhren, kam uns - zu unserer aller Überraschung - tatsächlich ein anderer Tourer entgegen! Aus Schleswig Holstein und auf dem Rückweg von seiner Ostseeumrundung.

Ihr könnt euch sicherlich denken, wo wir danach hingefahren: zu einem Lavuu natürlich! Sehr schöner Ort, allerdings direkt in der Mitte von zwei Seen und damit verbunden: Mückenplage. Irgendwie schafften wir es noch was zu Essen zu kochen, bevor wir uns im Zelt verstecken mussten. Natur pur halt.

Bild von Lavuu 5.1
Bild von Lavuu 5.2 Mückenplage