Just two wheels

Durch die hohe Tatras

30. Juni 2023

Am Samstag (24.06.) standen wir später auf als gedacht - offenbar brauchten unsere Körper doch noch etwas mehr Erholung nach dem gestrigen Tag. Wir packten unsere Sachen, die größtenteils wieder trocken waren, und verabschiedeten uns noch von Gabriela. Und keine 300 Meter später waren wir schon wieder in der Slowakei! Hier wurde uns aber auch gleich klar, warum es genau hier eine Grenze zwischen der Slowakei und Ungarn gibt - Ungarn: flach, Slowakei: Hügel.

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Bisher sind es noch Hügel, aber im Hintergrund waren zweifellos schon die richtigen Berge zu sehen. Wie es an Grenzen manchmal so ist: ein paar Kilometer später befanden wir uns wieder in Ungarn und Tilman versuchte es bei der Post nochmal die europäische Briefmarke zu bekommen - leider ohne Erfolg...
Wir nahmen eine entspannte Straße einen kleinen Hügel hoch und bei einem kleinen Picknickplatz nutzte Tilman die Gelegenheit um seine Drohne auszuprobieren.

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Eine zweite Gelegenheit bot sich, als wir durch ein Dorf in der Slowakei fuhren, welches nicht nur eine, auch nicht zwei, sondern gleich vier Kirchen in einer Straße hatte!

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Am frühen Nachmittag kamen wit bei unserem Warmshowerer Andres und seiner Familie an. Sie bewohnen gerade ein Haus auf dem Land und hatten einen richtig schönen Garten! Andres bot uns an, mit uns zum Lidl zu fahren, da er auch noch was bräuchte. Danach schauten wir uns mit einem Eis in der Hand die kleine Stadt Trebisov an und waren echt angetan von dieser Stadt. Es gibt einen schönen Park, eine große Sportfläche, ein Schwimmbad und sogar ein kleines Kino!
Die beiden Kinder, Sonia und Olivia, wachsen Trilingual auf (Slowakisch, Spanisch und Englisch) und waren total süß! Die meiste Zeit unterhielten wir uns mit ihnen auf Spanisch und Englisch. Andres kommt ursprünglich aus Kolumbien und lebte eine lange Zeit in London. Auf Anhieb verstanden wir uns mit ihm und es war richtig cool seine kleine Familie zu sehen!

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Am Sonntag (25.06.) war erstmal Chill-tag. Schließlich wollten wir neue Kraft tanken für die kommenden Tage, die wir damit verbringen würden die Tatras zu überqueren.
Wie es so an Chill-Sonntagen üblich ist, zauberte Andres für alle zum Frühstück Kolumbianische Arepas - muy ricas! Sowas wie Mini-Pfannkuchen aus Maisteig mit Käse. Durch das Frühstück gestärkt, schickte ich endlich meine Bewerbungsanfrage für eine coole Doktorstelle nach Lund raus und bekam nur einige Stunden später schon eine sehr coole und vielversprechende Antwort! Es fühlt sich schon aufregend an sich zu überlegen, was nach der Tour auf einen wartet!
Nach dieser freudigen Nachricht durfte ich auch endlich Tilmans Bart wieder etwas kürzen :)
Ansonsten chillten wir viel, wuschen mal wieder unsere Sachen, machten Kleinigkeiten am Fahrrad und genossen einen Tag voller Ruhe und Sonnenschein!

Unser eigentlicher Plan für den Montag (26.06.) war in das Planetarium im Kosice zu gehen, allerdings antworteten diese nicht oder meinten sie hätten an einem Montag komplett geschlossen. Also verabschiedeten wir uns von Andres und seiner Familie und fuhren gleich Richtung Presov anstelle von Kosice. Wir fuhren bei angenehmen Sonnenschein los und legten relativ zügig, trotz des vielen hoch und runters die ersten Kilometer zurück. Neben uns wechselte sich die Landschaft wieder ab zwischen Wäldern und Feldern und nur wenn wir durch einige Stadtränder durch mussten, wurde uns aufgrund der allgemeinen Atmosphäre dort etwas mulmig zumute.

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Als wir nach Presov rein fuhren, machte die Stadt einen sehr guten Eindruck durch die wirklich gut durchdachten Fahrradwege. Nachdem wir uns ein Eis beim Lidl gönnten, fuhren wir einen Fahrradladen an, da zum einen mein Hinterrad komische Geräusche machte und zum anderen Tilmans Bremsen mal wieder neue Bremsbelege vertragen könnten. Ersteres Problem war schnell gelöst, für die Bremsbelege wurden wir an einen anderen Fahrradladen in der Innenstadt weiterempfohlen. Die Leute bei "Big Bike" waren wirklich mega nett! Sie schauten sich in aller Ruhe die Bremsen an, reduzierten sogar den Preis für die neuen Belege wollten für das Einbauen keinen zusätzlichen Euro sehen. Den Service nahmen wir in Anspruch, da noch keiner von ins bei hydraulischen Bremsen die Belege gewechselt hatte - jetzt sind wir schlauer und weiterhin sehr überzeugt von diesen hydraulischen Bremsen :)
Danach ging Tilman natürlich wieder zur Post und kam mit einigen coolen Briefmarken wieder zurück.

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Aus Presov raus fuhren wir entlang des Eurovelo 11 an einem Fluss "Torysa" und machten unerwartet viele Kilometer! Es rollte sich einfach so schön! Vielleicht hat auch die Pause bei Andres gut getan! Aber nicht nur wir genossen diesen schönen Radweg. Es waren richtig viele Leute unterwegs und überraschend wenige mit E-bikes.
In einer Kurve kam uns sogar ein anderer Liegeradfahrer entgegen!

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Als sich die Sonne dem Horizont neigte fragten wir bei einem Grundstück, ob wir auf ihrem Feld davor zelten dürften. Sehr entspannter Platz und am Ende bekamen wir trotz unseres "Nein" wieder ein paar Stückchen von polnischem Grillfleisch. Der kleine Junge ließ noch sein Plastikflugzeug über das Gras gleiten und der Opa spielte ein paar Stücke auf seiner Mundharmonika. Ein wirklich idyllischer Abend!

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Dienstag 27.06.

Das sanfte rieseln des Regens auf unserem Zeltdach weckte mich gegen 5:00 morgen auf. Tja was soll man machen? Richtig! Weiterschlafen! Irgendwann gegen 6:00 wachten wir beide auf und entschlossen den Regen noch bis ca 7:00 abzuwarten und dann loszudüsen. Und so kam es dann auch. Pünktlich um 7 Uhr hörte es auf zu regnen und wir packten gemütlich unsere Sachen zusammen - sogar die Sonne zeigte sich! Wir verabschiedeten uns noch von dem Mann von gestern Abend und fuhren den entspannt Radweg weiter bis nach Lipany. Danach folgten wir einer kleinen Straße den Berg hoch und schauten mit der Drohne, wie die Welt so von oben aussieht. Berg runter durften wir uns wieder rollen lassen und wurden mit einer genialen Aussicht auf die Burg Spissky Hrad belohnt!

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Leider fing es dann auch bald an zu regnen und wir suchten und fanden einen Unterschlupf. Als der Regen etwas nachließ, besuchten wir noch ein altes Kloster.

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Die Kilometer danach zogen sich wie Kaugummi und ich empfand, dass der nächte Berg (immerhin 300 hm) etwas zu viel für meine Knie wären. Zumal die Oberfläche als "Gravel" angegeben war, was im Prinzip alles heißen konnte... Als fuhren wir, nachdem wir uns Levoca angesehen hatten, ausnahmsweise mal zum nächsten Campingplatz. Dort wurden wir erstmal etwas unhöflich mit erheblich(!) gestiegenden Preisen konfrontiert, als wir sie auf der Website gefunden hatten. Wir verhandelten ein bisschen und zahlten 15€ für uns beide zusammen. Leider bereuten wir es danach dieses Geld ausgegeben zu haben. Es entpuppte sich als der räudigste Campingplatz überhaupt. Da hätten wir beim Wildzelten bestimmt eine geradere Fläche gefunden, die Duschen waren ekelhaft dreckig (die Spinnenweben lassen erahnen, wann das letzte Mal geputzt wurden ist), wenn sie überhaupt funktionierten, das Wasser war im besten Falle lauwarm und die Toiletten konnte man nicht benutzen und die Tür gleichzeitig zu machen... Außerdem lief der große Schäferhund (mit Bisswunden am Kopf) frei herrum und scheute sich nicht Leute anzuspringen...
So schliefen wir etwas niedergeschlagen in unserem Zelt ein.

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Als wir am Mittwochmorgen (28.06.) den Inhaber der Campingplatzes damit konfrontierten war er natürlich auch einmal so "ich nix verstehen" , "ihr seid die ersten, die sowas sagen", etc. Als wir dann die Reviews im Internet ansahen, wussten wir aber auch, dass wir garantiert nicht die einzigen waren und schrieben daraufhin die Firma des einen Zertifikates, mit dem er wirbt an, dass sie vielleicht nochmal vorbeischauen sollten, ob das wirklich deren Standard ist.


Danach nahmen wir den Berg in Angriff. Zum Glück stellte sich der Gravel als garnicht so schlimm herraus, sonder es war eher kaputte Straße mit Steinchen. Wir genossen tatsächlich die Natur um uns herrum und bei der Abfahrt erhaschten wir einen ersten Blick auf die hohe Tatras.

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Hinter Kezmarok ging es dann auch gleich los. Das Gebirge immer links von uns fuhren wir zunächst einen richtig guten Fahrradweg entlang.

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Alle 3km gab es dann sogar Unterstellmöglichkeiten, die wir auch gleich bei einem Regenschauer nutzten. Die Höhenmeter waren auch super angenehm - nicht zu steil und echt gut machbar! Den ganzen Tage über hatten wir immer abwechselnd Regen und Sonne, aber glücklicherweise auch immer eine gute überdachte Bushaltestelle parat :)
Die Berge zogen allerdings schon an unseren (zumindest meinen) Kräften und als wir die Grenze zu Polen überquerten, wechselte auch die Landschaft von wilder Natur zu offensichtlichem Forstbetrieb - nicht gerade schön! Als wir nach Zakopane runter rollten wurden wir auch gleich mit einer extremen Tourismsatmosphäre erschlagen. Die Häuser waren durchaus sehr schön, allerdings waren die Straßen voll Wandertoursiten und die Läden voller Krimskrams häuften sich nur so. Also schnell wieder raus aus der Stadt!

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Wir folgten der Empfehlung unseres bewelcome Hosts Jurek aus Krakow und fuhren/rollten durch eine richtig schöne Gegend mit vielen alten traditionellen Holzhäusern. Das schöne war, dass offensichtlich auch die neueren Häuser in diesem Stil gebaut wurden. Diesen anstrengenden Tag endeten wir hinter einem Friedhof mit schönem Blick auf die umliegende Gegend. Über 2000 Höhenmeter und 100 Kilometer spürt man dann doch in seinen Beinen!

Pure Stille und Frieden. So wachten wir am Donnerstag (29.06.) auf. Ob das an dem nahegelegenen Friedhof liegt? Oder an den Nebelschwaden die sich über die Landschaft zogen?

Die ersten 10 Minuten des Abbaus des Zeltes waren auf jedenfall nicht mehr so friedlich - zumindest nicht für die gefühlt 100 Schnecken, die es sich auf unserem Zelt bequem gemacht hatten.
Unten in Chocholow, besichtigte Tilman noch die Kirche und nahm einige coole Bilder von den traditionellen Holzhäusern auf.

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Obwohl es heute tendenziell Bergab gehen sollte, hatten wir doch den einen oder anderen Hügel in unserem Weg, den es zu erklimmen galt. Unseren ersten richtigen Tag in Polen empfanden wir als sehr entspannt - vorallem weil die Autofahrer erstaunlich gut Fahrräder überholen! In Mylenice machten wir dann gegen Mittag Pause und schauten dem Springbrunnen auf dem Marktplatz zu. Kurz vor Krakow trafen wir dann auf den Eurovelo 4 und fuhren mit einer richtig coolen Aussicht auf die Stadt zu! Die letzten 10 km nahm Tilman mir einiges an Gepäck ab, da die letzten Tage echt an meiner Energie zerrten. Woher hat er denn bitte die ganze Energie? Zu Jureks Haus am Stadtrand ging es dann nochmal ordentlich berghoch.

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Bei Jurek und seiner Familie wurden wir herzlich willkommen geheißen. Jureks Geschichte ist super spannend, denn er verbrachte an verschiedenen Gelegenheiten mehrere Monate auf der polnischen Station auf Antarktika. Was er zu berichten hatte war echt atemberaubend und abenteuerlich!

Freitag (30.06.) war Touritag.
Am späten Vormittag hatte ich allerdings erst noch ein Zoom Gespräch mit den Leuten aus Lund und das bestärkte mich darin, mich Ende des Jahres auf jedenfall bei denen offiziell um eine Stelle zu bewerben.
Danach ging es runter in die Innenstadt - mit unserem gewohnten Tourisetup: "Tilmans Cargobike Taxi"

Über den Fluss kamen wir auf die Stadt zu und hatten einen richtig schönen Ausblick auf die Stadt.

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Die Innenstadt hat uns auch sehr gefallen: viele alte Häuser die noch gut in Schuss gehalten wurden. Allerdings fragten wir uns: warum müssen die ganzen Pferdekutschen sein?
Auf dem Hauptplatz chillten wir erstmal und sahen uns das Treiben von unserem schattigen Plätzchen aus an. Neben uns übte eine Gruppe junger Mädels mega coole Tanz Choreografien. Das Highlight des ganzen Platzes! Danach fuhren wir gemütlich den Grünstreifen um das Stadtzentrum herum ab und begaben uns danach zu Jureks Geheimtipp. Ein kleines "Restaurant", wo es das beste (und bezahlbares!) Pierogi der Stadt gibt. In einem kleinen Hinterhof versteckt befindet sich eine ehemals private Küche und man setzt sich einfach dorthin, wo Platz ist - oft neben wildfremden Leuten. Bezahlen ist auch auf Vertrauensbasis. Beim rausgehen sagt meim einfach was man hatte und zahlt dann. Wir fanden das sehr cool! Und die Gerichte, die Jurek uns empfohlen hat waren absolut lecker!

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Mit vollem Magen erkundeten wir noch die Stadt und sahen einigen Turnieren der Eurogames, die gerade in Polen ausgetragen werden, zu. Unter anderem eine neue Sportart "Teqball". Ist eine Mischung aus Tischtennis und Fussball - ziemlich cool!
Insgesamt hat es uns die Stadt echt angetan und wir wollen hier definitiv nochmal zurück für ein paar mehr Tage und mit mehr Budget!

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Zurück bei Jurek und seiner Familie quatschten wir noch den ganzen Abend über alles mögliche und fielen dann total erschöpft ins Bett.

Zum Schluss noch ein "Best-of" der Absurditäten des deutschen Wikipedia Artikels über Krakau.

https://de.wikipedia.org/wiki/Krakau

1. "In dieser Zeit kam es aber auch zum Konflikt der weltlichen mit der kirchlichen Macht in Polen, der darin mündete, dass König Boleslaus II. der Kühne, der Sohn Kasimirs I., den Erzbischof Stanislaus in der Michaeliskirche 1079 erschlug. Stanislaus wurde zu einem der ersten Schutzpatrone Polens. Boleslaus II. musste aus Polen fliehen und wurde später in Ungarn vergiftet."

2. "Von den zahlreichen Kindern des Ehepaares – seine Frau Elisabeth von Habsburg wurde Mutter der Jagiellonen genannt – wurden allein vier Könige; sieben weitere bekleideten wichtige Kirchenämter oder heirateten in meist deutsche Adelsgeschlechter ein. Als Folge davon sind fast alle gegenwärtigen europäischen Monarchen mit Kasimir IV. und Elisabeth verwandt."

3. "Nachdem er den Aufstand niedergeschlagen hatte, verbannte Ladislaus die meisten Deutschen aus der Stadt und ließ einige von ihnen hinrichten. Die Nationalität der Bürger wurde durch ein Schibboleth überprüft: Als Deutscher galt, wer soczewica, koło, miele, młyn nicht fehlerfrei aussprechen konnte."