"Fika ist eine soziale Institution in Schweden. Es bedeutet die Unterbrechung einer Tätigkeit, um mit der Familie, mit Freunden oder mit Kollegen Kaffee oder, seltener, ein anderes Getränk zu sich zu nehmen." Wikipedia
Samstag 09.09.
Wer spät ins Bett kommt darf auch spät aufstehen! Ich finde das sollte irgendwo gesetzlich festgehalten werden. Ist ein ganz sinnvolles Konzept. Naja zumindest in den "Regeln unserer Tour" haben wir das aufgenommen und so trafen wir Ilinca auch erst gegen 10:30 in der Küche an. Natürlich mit einem Luxusfrühstück. Pfannkuchen, Rührei und Brotbeläge soweit das Auge reicht. Irgendwie kommt uns die Menge an Essen sehr bekannt vor... Aus Rumänien vielleicht? ;-)
Leider wurde es dann auch schon Zeit uns für ein paar Tage zu verabschieden, damit wir Julchen noch vor ihrer Reise nach Deutschland in Stockholm besuchen können. Der temporäre Abschied viel uns alles andere als leicht. Obwohl wir ohne viel Gepäck fuhren und nur ca. 70km vor uns hatten, zog sich der Tag wie Kaugummi. Es war auch ungewöhnlich warm! Zwischendurch zeigte das Tacho eine Temperatur von 29 Grad Celsius an. Vielleicht erklärt das auch unser langsames Vorrankommen... Nachdem wir eine Eispause beim Lidl eingelegt hatten, ging es allerdings auch wieder wesentlich flüssiger vorran. Je mehr wir uns Stockholm nährten, desto lauter und voller wurde es natürlich. Zum Glück gab es die ganze Zeit einen guten Fahrradweg neben an, so dass wir sicher und weniger stressig in die Stadt reinfahren konnten. Julchen gab uns eine Adresse im Norden der Stadt in einem Industrieviertel, wo ein Freund von ihr Räume gemietet hatte. Die werden unter anderem als Veranstaltungsort von ihren Freunden genutzt. Oder als guter Ort um seine Gäste für eine Nacht unterzubringen :-)
Wir wurden super herzlich an diesem verrückten und coolen Ort empfangen! Zum Abendbrot gab es ganz typisch für Schweden: Tacos. Bei so vielen Leuten vermutlich auch eine ganz gute Wahl. In der WG verbrachten wir einen kunterbunten Abend und zum Schluss gab es sogar Sauna vor dem Einschlafen! So vielen wir super erschoepft aber glücklich auf einer kuscheligen Matratze ein.
Sonntag 10.09.
Besonders wenn man es gewöhnt ist mit dem Sonnenlicht langsam aufzuwachen, ist es etwas irritierend, wenn es dunkel ist, sobald man die Augen aufwacht. So kam es dann, dass wir erst gegen 10:00 im Veranstaltungsraum aufwachten. Wir räumten schnell alle Schlafsachen beiseite, verabschiedeten uns bei unseren netten Gastgebern und machten uns mit den Rädern auf zum Boot von Julias Bekannten nahe der Stockholmer Innenstadt. Dort liessen wir es uns richtig gut gehen. Kaffee und Blaubeerpfannkuchen auf dem Deck des Bootes, Sonnenschein im Gesicht und Blick auf die "Skyline" der Stockholmer Innenstadt.
Da Julchen noch einen ordentlichen Berg an Arbeit hatte, bevor es für sie nach Deutschland geht, eskortierten wir sie noch zur Uni und stellten unsere Räder dort sicher ab. Danach bewegten wir uns langsam zu Fuss wieder zurück. Mittlerweile war es auch schon weit nach 16:00, als wir an der Brücke zu "Gamla Stan" ankamen. Die Sonne neigte sich also langsam dem Horizont und wir wurden Zeugen eines richtig schönen Abendrotes über Stockholm.
Die Innenstadt war überhauft von penetranten Touriläden, die sich nicht wirklich in das Stadtbild einfügen, und Espresso-Haus Filialen. Da wir auf der Suche nach einem Sticker für das Lastenrad waren, gingen wir in fast jeden Touriladen (manche ganz nett und ordentlich, andere bombadierten uns mit unendlichen billigen Tourisachen) und verglichen die Preise. Viel hatten wir ja eh nicht zu tun. Immer am Wasser entlang ging es dann für uns zurück zum Boot. Bis Julchen von der Arbeit zurück kam, genossen wir den Abend auf dem Deck und beobachteten das Spiel der Häuserlichter im Wasser. Manchmal kann das Leben so schön und einfach sein!
Montag 11.09.
Zusammen mit Julchen standen wir auf um noch gemeinsam zu Frühstücken. Die erste Nacht auf dem Seegelboot war sehr ruhig und irgendwie sehr angenehm. Vielleicht schaukelt es im Hafen auch einfach nicht so viel wie auf See, aber man könnte sich an die Gemütlichkeit auf dem Boot durchaus gewöhnen. Nachdem Julchen weg war, brachten wir noch ein bisschen Ordnung in unsere Sachen, schauten einen CCC (Chaos Computer Club) Vortrag auf dem Handy und machten uns gegen Mittag auf in die Stadt. Bis dahin war der mystische Nebel des Morgens auch verschwunden und man konnte tatsächlich die andere Seite des Flusses sehen!
Auf unserem gestrigen Gang durch die Altstadt haben wir ja bereits die günstigsten Tourishops ausgecheckt und so konzentrierten wir uns heute einfach auf die Atmoshpäre und schlenderten die Strassen entlang. Irgendwie verloren wir uns in einem grossen Sci-Fi Buch-und Spieleladen und fanden erst nach gut 1.5 Stunden wieder den Ausgang auf die Strasse. Dass wir mit dem Fahrrad unterwegs waren kam unserem Geldbeutel definitv zu Gute! Per Zufall statteten wir dem Palast auch noch einen Besuch ab, wo sich schon einige Touris vor der Schutzgarde tummelten, als würde gleich was passieren. Und tatsächlich! Es war gerade Wechsel der Garde, was eine spektakulär unspektakulearer millitärischer Vorgang war. Aber es war spannend diesem Theater beizuwohnen. Neben dem Palast gab es eine schöne Ausstellung zum Anlass des 50. Thronjuniläums des schwedischen Königs. Die Schweden scheinen nicht ganz so besessen mit ihrem Königshaus zu sein, wie die Engländer, dennoch merkte man der Ausstellung einen gewissen Stolz an. Der König selbst scheint auch sehr volksnah zu sein und irgendwie nicht ganz so mystisch, abstrakt und fremd, wie man es aus England kennt. Nach diesem royalen Exkurs machten wir uns auf bekannten Wegen auf in Richtung Universität, wo wir uns mit Maya, Tilmans Mitbewohnerin aus Umeå, und ihrem Mann treffen wollten. Da unsere Suche nach einem guten Cafe auf dem Unigelände eher mässig verlief, gingen wir wieder Richtung Metro und setzten uns draussen mit einem Erfrischungsgetränk hin und quatschten. und quatschten und quatschten und kamen aus dem quatschen kaum wieder raus... Schade, dass am nächsten Tag wieder Arbeit bei den beiden angesagt war. Maya bot uns noch an, dass wir die Fahrräder aus dem Keller der Uni in den Fahrradkeller bei ihr auf Arbeit im Süden der Stadt bringen könnten. Dieses Angebot nahmen wir gerne an und so fuhren die beiden mit den Öffis und Tilman und ich rasten vorsichtig durch die Stadt. Tatsächlich kamen wir trotz der roten Ampeln im Zeitrahmen der Google Maps Vorhersage an. Den Rückweg zum Boot bestritten wir dann wieder zu Fuss und konnten uns gleich einen anderen Teil von Stockholm ansehen. Julchen konnte zum Glück auch noch alles was auf ihrer To-Do Liste stand abhacken und kam zu einer humanen Zeit wieder am Boot an, wo wir dann gemeinsam Abendbrot aßen.
Dienstag 12.09.
Das nervige klingeln unserer Wecker riss uns aus dem ohnehin zu kurzen Schlaf. Die Nächte auf dem Seegelboot sind erstaunlicherweise sehr erholsam (trotz der Kürze). Ich hatte ja schon die Befürchtung, dass ich seekrank werden könnte, aber bis auf ein leichtes Schwindelgefühl, wenn man wieder ordentlich Betrieb im Hafen ist, scheint mein Körper das ganz gut zu verkraften.
Bevor wir das Boot verliessen, gab es noch einiges zu erledigen: Frühstücken, Batterieverbindung kappen, Tütentoillette entsorgen, Gas ausmachen, etc... Zur Überraschung aller, ging unsere Morgenprozedur sehr effizient und wir waren mehr als püntklich fertig für den Abschied von Julia, die sich auf den Weg zum Flughafen machte. Die Zeit war wieder viel zu schön und viel zu kurz. Wie das halt so ist. Tilman und ich chillten noch ein bisschen am Hafen und versuchten unterschiedliche Methoden unseren gelben Sack die nächsten 3km zu Mayas Arbeit zu transportieren.
Die meiste Zeit war es dann tatsächlich Tilman, der mit seiner mexikanischen Tortillera-Technik den Sack auf dem Kopf balancierte. Während wir so durch Stockholm liefen, begegneten uns Armadas von Fahrradfahrern. Ich habe das Gefühl, dass die Radwege für die Anzahl an radelnden viel zu klein sind... aber was soll man machen? Wir waren auf jedenfall froh, dass es wenigstens welche gab!
Bei Mayas Arbeit verquatschten wir uns natürlich wieder. Aber das war auch gar nicht schlimm. Wir hatten ja heute alle Zeit der Welt um vom Stockholm nach Uppsala zu radeln und Maya schien das auch sehr zu geniessen. Nachdem wir uns auch herzlich von ihr verabschiedet hatten stürzten wir uns gemeinsam mit den anderen Radfahrenden ins Getümmel. Zum Glück kannten wir die ersten paar Kilometer schon auswendig und mussten nicht zusätzlich auch noch auf die Navigation achten. Wir hatten Zeitweise sogar ein bisschen Unterhaltung vor uns. Ein Rad mit Musikbox hinten drauf, aus der lautstark "country roads" schällerte. Gibt es was schöners als zu guter Musik aus der Stadt rauszufahren? Zumindest war die Musik schöner als der Lärm und die Abgase der Autos neben der E4, der wir aus der Stadt rausfolgen mussten. Da ich noch etwas sehr müde war, machten wir Halt bei einem Friedhof am Stadtrand, wo ich erstmal ein Mittagsschläfchen machte. Solche Naps wirken Wunder! Vorallem in der Ruhe und dem Frieden eines Friedhofes. Vielleicht kommt daher auch der Name? Der Bezirk Stockholm mit allem drumherum zieht sich wirklich seeehr lange, so dass wir fast die Hälfte der Strecke nach Uppsala noch in "Stockholm Län" fuhren. Der Vorteil, und dafür muss man Schweden echt loben, ist, dass es ziemlich viele Radwege und alternative Radrouten zur Autoroute gibt. Vielleicht nicht immer die effizientesten oder am besten ausgeschliedersten, aber es gibt sie, so dass wir eigentlich kaum zusammen mit Autos auf der Strasse fahren mussten. Bei einer Pause auf einer Bank, gesellten sich dann noch zwei ältere Schweden mit ihren Fahrrädern dazu und wir kamen ins Gespräch. Die beiden waren Brüder in Rente und versuchen jeden Tag ein bisschen Fahrrad zu fahren um fit zu bleiben. Ein sehr gutes Vorhaben, wie wir finden. Die Gesprächsthemen drehten sich ums Fahrradfahren und internationale sowie schwedische Politik und deren Probleme. Kein einfaches Thema mit fremden auf der Bank, während man von Mücken attackiert wird, aber der Austausch war trotzdem sehr interessant. Wir erfuhren auch mal wieder, dass wir offenbar eine krasse Mückenzeit erwischt haben. Den ganzen Sommer gab es fast keine und seit ein paar Wochen scheinen sie sich wie verrückt zu vermehren und Blut zu saugen.... Man kann halt nicht alles haben... im Norden hatten wir Regen, im Süden Mücken. Da sind uns die Mücken definitiv lieber!
In Uppsala angekommen besorgten wir noch die restlichen Zutaten für die Kürbissuppe und trafen Ilincas Mitbewohner Oreen in der Wohnung. Diesmal kamen die Fahrräder nicht in den Fahrradschuppen, sondern wir nahmen sie mit hoch auf den Balkon. Ein Hoch auf Fahrstühle!
Nur wenig später trudelte auch Ilinca ein mit sehr guten Nachrichten bezüglich der Arbeit. Ein Grund zum Feiern! Und da es ja in der Woche ist, feierten wir halt mit Kürbissuppe und freuten uns alle. So einfach kann das Leben sein!
Ilinca nahm sich dann noch die Zeit meine Haare mal so richtig zu verwöhnen und die Locken zur Geltung zu bringen. Da ich normalerweise nicht so viel mit meinen Haaren mache, erst recht nicht auf Tour, war das mal eine willkommene Abwechslung :)
Mittwoch 13.08.
In einem Bett aufzuwachen ist einfach ein richtig schönes Gefühl! Doch ich hatte heute einiges vor: Die Blogeinträge der letzten Wochen zu vervollständingen. Der Norden hat uns ja ziemlich viel Energie gefordert, weshalb ich meistens im Zelt einfach nur noch weggepennt bin und zum anderen hatten wir natürlich auch nicht wirklich WLAN um die ganzen Bilder hochzuladen. Nun mit einem Laptop und WLAN in Uppsala geht auch alles wesentlich schneller und komfortabler als auf dem Handy.
Am Abend war ich dann soweit, dass ich zumindest alle Texte vernünftig geschrieben und eingefügt hatte. Nachdem das getan war, verbrachten wir den Abend noch mit Oreen und Ilinca und schauten den Teeni Film "Mean Girls". Sehr stereotypisch, aber auch sehr lustig!
Donnerstag 14.08.
Am nächsten Tag ging die Arbeit am Blog gleich weiter. Heute waren es die Bilder, die nacheinander hochgeladen und eingefügt werden müssen. Dieser Prozess war mehr Arbeit, als ich dachte. Tilman kümmerte sich in der Zwischenzeit darum wie man einen eigenen Mail Server aufsetzt. Als Ilinca am Abend von der Arbeit wieder nach Hause kam, war sie glaube nicht ganz so überrascht uns immer noch in der Wohnung vorzufinden. Am nächsten Tag mussten wir ihr aber versprechen mal raus zu gehen und die Stadt anzuschauen!
Freitag 15.08.
Heute sollten wir also endlich mal wieder aus unserer kuscheligen Höhle rauskommen. Wir packten alle Sachen zusammen und machten uns zu Fuss auf in die Stadt. Uppsala scheint echt nicht so groß zu sein, denn keine halbe Stunde später waren wir schon auf dem Gelände vom Schloss, welches sehr prominent in der Skyline von Uppsala ist. Von hier hatte man einen mega schönen Ausblick auf die Umgebene Stadt und die Kathedrale von Uppsala. Das Schloss beherbergt heute ein Kunstmuseum und wird zu offiziellen Anlässen als Veranstaltungsort genutzt. Wenn man westlich den Berg runterschaut, sieht man den im barocken Stil angelegten Garten, der mich schon an den Garten im Park Sanssoucci erinnerte.
Danach gingen wir in die Kathedrale. Sie ist übrigens das höchste kirchliche Bauwerk Skandinaviens. Die Schwedische Kirche ist eine evangelisch - lutherische Kirche, was man ihr auch von Innen ansieht. Die Wände waren allerdings immer mit schönen Muralen und Mustern bemalt und gaben dem ganzen einen sehr gemütlichen Eindruck. An den Seiten findet man noch alte Wandteppiche, die die Geschichte der Kathedral von Uppsala erzählen. Außerdem beherbergt die Kirch die Relikte vom Heiligen Erik. Dieser gilt als Schutzpatron Schwedens, wobei seine Lebensgeschichte und sein Tot in der Forschung nicht ganz zu deuten sind.
Die Innenstadt war super schnucklig und sobald wir den kleinen Fluss überquert hatten, stellten wir fest, dass es den selben Aufbau und irgendwie die selbe Atmosphäre hatte, wie die meisten schwedischen Städte. Ilinca gab uns noch einen Tipp: Wir sollten nach kleinen Mäuseszenen Ausschau halten die in die Gebäude eingelassen waren. Wir fanden auch 3 von ihnen!
Den Abend ließen wir wieder entspannt angehen, aßen gemeinsam Abendbrot und schauten einen Film. Manche Dinge weiß man auf der Fahrradtour erst zu schätzen, wenn man sie nicht mehr hat. Zum Beispiel gemütlich vor dem Fernseh sitzen und mit Freunden einen Film schauen.