Weil es so erstaunlich ist, hier noch mal der Hinweis: wir werden heute live interviewt! Und zwar vom Deutschlandfunk in der Sendung "Sonntagsspaziergang", irgendwann zwischen 12 und 13 Uhr. Das ist Radio, und das ist so was wie eine sehr lange Sprachnachricht die man nicht löschen kann, weil sie peinlich geworden ist. Vorsicht Spoiler: vermutlich werden wir auch über Neukirchen reden!
Jetzt aber zum heutigen Tag, der höchst unerfreulich begann, zumindest für die Person mit dem schlechteren Schlaf. Während ein Gewitter über unser Zelt hinwegzog, Blitze alles taghell erleuchteten und nur kurz später langer Donner ohrenbetäubend den armen Malte (das bin ich!) im Zelt erschreckte, schlief Tilman friedlich und ließ sich am nächsten Morgen das Unwetter nacherzählen.
Als ich mit etwas Schlafmangel erwachte und drum noch ein bisschen liegenblieb, regnete es draußen immer noch sanft auf unser Zelt. Keine Viertelstunde später jedoch hörte es auf zu nieseln, und prompt machten wir uns ans Werk, die Spuren der letzten Nacht zu verwischen (indem wir sämtlichen Müll natürlich mitnahmen! Wichtig!), Schnecken und anderes Klein- und Schleimgetier vom Zelt und aus meiner linken Sandale entfernten, und schlussendlich das hoffentlich tierbefreite, quasi wieder vegane Zelt einrollten.
Ziemlich fröhlich radelten wir nur ein paar Kilometer, bis wir schon die Grenze nach Bayern passierten. Es heißt also Abschied nehmen: Bayern hat uns nun sehr lange begleitet, die Hälfte aller 46 Neukirchen lag in Bayern, wir haben tolle Geschichten erlebt, spannende Dialekte gehört und sogar teilweise verstanden, und viele neue Freunde gewonnen.
Jetzt also Sachsen! Mit durchgängig wunderschöner, grüner Landschaft, soviel kann ich vorwegnehmen. Leider wurde diese heute einen Großteil des Tages von diesigem, bewölktem und nassem Wetter verdeckt!
Kurze Zeit nach dem Grenzübertritt, in meinem Fall immer noch mit schneckenschmierigem Fuß, machten wir halt bei einem "Globus"-Einkaufszentrum. Tilman hatte die herausragende Idee, mich heute zum Einkaufen zu schicken.
Als ich aus dem Gebäude wieder herauskam, war ich um fünf Jahre gealtert, war desillusioniert und zynisch und musste mich erst mal setzen und mein Leid beklagen: so viele Menschen! So wenig Abstand! Viel zu viel Auswahl! Völlige Überforderung!
Tilman hörte sich das geduldig an, räumte derweil die von mir erworbenen Speisen in die Taschen, und erzählte, dass während meiner langen Abwesenheit ungefähr fünf Mal das Wetter umgeschlagen habe. Glaubwürdig, sah ich doch bei schönem Sonnenschein die trockenen Stellen auf der ansonsten nassen Bank, auf der Tilman gesessen hatte.
Als wir beide genug gejammert hatten, fuhren wir ohne größere Zwischenfälle weiter bis zur Göltzschtalbrücke. Das ist eine Eisenbahnbrücke über, Überraschung!, das Göltzschtal, und sie ist die größte Ziegelsteinbrücke der Welt. Empfohlen wurde sie uns von Mika, der auf seiner tollen Deutschlandtour mit dem Fahrrad in Bonn und Dortmund vorbeigekommen war, und der uns vom Vogtland vorgeschwärmt hatte.
Unten an der Brücke entschieden wir uns, ordentlich Pause zu machen. Wir waren bisher sehr gut vorangekommen und hatten bis zu unserem heutigen Ziel Neukirchen/Pleiße kaum noch Strecke vor uns. Also genossen wir den schönen Blick auf die Brücke, aßen zu viele Schokolebkuchen, die bei Globus aus nachvollziehbaren Gründen stark reduziert gewesen waren, und scheiterten kläglich daran, unsere Wasservorräte aufzustocken.
Kaum waren wir weitergefahren, erreichte uns ein Anruf von Bürgermeisterin Ines Liebald aus Neukirchen/Pleiße, die sich nach unserem Vorankommen erkundigen wollte.
Um es kurz zu machen (weil spät am Abend): Sie erzählte uns, dass sie heute Abend in die Pizzeria in Neukirchens Nachbarort gehen wollte, und fragte, ob wir nicht dazukommen wollten. Wollten wir!
Mit Aussicht auf Pizza und danach Dusche in Neukirchen strampelten wir gleich doppelt so eifrig und kamen nach überraschend kurzer Zeit in Werdau bei der Pizzeria an.
Dort erfuhren wir zu unserem Erschrecken, dass Frau Liebald heute Geburtstag hat - und zur Feier mit ihrer großen Familie Essen geht.
Wir fühlten uns, besonders auch mit unseren nicht ganz geruchslosen Fahrradklamotten, natürlich etwas fehl am Platz - wurden aber dann einfach in die Familie integriert! So war es ein toller, lockerer Abend mit vielen netten Menschen, und schon wieder eine wunderbare Erfahrung, die wir auf unserer Reise machen durften.
Zwar wurde uns beim Abendessen schon einiges über Neukirchen und den morgigen Plan erzählt - das behalte ich aber erst mal für mich! Erstens will ich schlafen, zweitens muss ja auch morgen noch etwas in den Blog geschrieben werden.
Der Tagesabschluss war dann Luxus pur: Mit Autoeskorte fuhren wir in 20 Minuten nach Neukirchen, und dort warteten Dusche, Bett, Dach und Strom. Was für ein Luxus, den wir nach vielen Nächten im Zelt wirklich zu schätzen wissen. Die Dusche hat mich heute sogar extra gefreut: endlich ein unschleimiger linker Fuß!
Zu guter Letzt konnten wir dann auch noch ein Feuerwerk bestaunen. Nicht extra für uns (auch wenn wir das natürlich ab jetzt behaupten werden!), sondern im nahe gelegenen Schloss wegen einer Hochzeit.
Ein toller Abschluss für einen tollen Tag, und jetzt sind wir sehr gespannt auf morgen: wegen Neukirchen/Pleiße, wegen eines echten Frühstücks, natürlich wegen des Interviews und vielleicht auch wegen einer möglichen weiteren Bürgermeister-Geburtstagsfeier?