Als wir nach zwölf Stunden Schlaf um acht Uhr in Kleeste aufwachten, waren wir dann doch ziemlich ausgeschlafen. Ich war die Stunden davor immer mal wieder wach gewesen und dann wieder in einen gemütlichen Schlaf hinübergesackt: ein gemütlicher Schlafsack wirkt wahre Wunder!
Wir wurden dann, als wir uns für die Abfahrt bereit gemacht hatten, von unserer Wiesenspenderin verabschiedet und mit dem Hinweis versehen, dass es etwa einen Kilometer später, direkt an unserer Strecke, eine private Elefantenzucht geben solle. Das mag zwar sein, doch Elefanten sahen wir leider nicht, dafür zahlreiche Lamas, Kamele und Esel.
Außerdem auf den folgenden 90 Kilometern noch eine dauerhaft geschlossene und eine aktuell geöffnete Bäckerei, uns etwas dämlich anstarrende Kühe, und - in meinem Fall - Tilmans Hinterkopf.
Wir kamen nämlich fast ohne Pausen und ohne nennenswerte Highlights rasant voran, und waren schon mittags in der Nähe von Rostock.
Dort trafen wir zwei junge Frauen, die in die mit riesigen Packtaschen in die andere Richtung fuhren.
Da die Strecke für Tourenradler so ungefähr das ist, was Castrop-Rauxel für den deutschen Strandtourismus ist, hielten wir an und unterhielten uns ein bisschen.
Mal wieder zeigte sich die Korrektheit unserer Hypothese, dass man immer weniger einpackt, je öfter man schon längere Touren auf dem Fahrrad gefahren ist. Ich kann davon ein Lied singen: bei meinen ersten Fahrradtouren hatte ich noch Bücher mit ...
Am Nachmittag erreichten wir dann Klein Belitz-Neukirchen in Mecklenburg-Vorpommern, knapp 20 Kilometer von Rostock entfernt. Erst erreichten wir ein grünes Ortsschild für einen Weiler, an dem wir natürlich direkt ein Bild anfertigten.
Keine 200 Meter weiter wurden wir an einem echten gelben Ortsschild von Gundula, einer Kirchenältesten und Mitarbeiterin im Pfarramt, und ihrer Tochter empfangen: sogar mit Kuchen! Beim Verzehren hörten wir, dass die Pfarrerin, die von unserer Idee äußerst angetan war, leider gerade auf Fortbildung ist. Sehr schade, aber so müssen wir wohl noch mal wiederkommen!
Beim Kuchen essen unterhielten wir uns gemütlich über dies und jenes, besonders auch über einen spannenden Münzfund der Pfarrerstochter im Kirchturm.
Die hatte, ganz grob und sicherlich etwas falsch nacherzählt, im Alter von acht Jahren bei ihrer ersten Turmbesteigung bei der Suche nach Eulengewöllen etwas ungleich wertvolleres gefunden, und zwar einen alten Lederbeutel mit mehreren Goldmünzen aus dem 14. Und 15. Jahrhundert darin! Den Fundort wollten wir uns natürlich direkt anschauen, und das konnte natürlich perfekt mit einer kleinen Kirchenführung verbunden werden.
Diesmal waren wir in einer sehr alten, relativ gut und originalgetreu erhaltenen Kirche gelandet, die uns - auch von der Atmosphäre - richtig gut gefiel.
Nach einer Bewunderung der zahlreichen Sehenswürdigkeiten in der Kirche zogen wir los in den Turm. Gruselig im Dunkeln, nur mit Handytaschenlampe, denn auch mit vereinten Kräften hatten wir den Lichtschalter nicht finden können. Tapsend und leuchtend erkundeten wir den alten Kirchturm voller Geheimnisse: es würde mich nicht wundern, wenn noch ein paar weitere Münzen auf Finderlinge warten.
Unten und im Pfarrhaus, wo wir auch übernachten dürfen, ließ uns Gundula ein bisschen alleine, und wir nutzten die Zeit, um zu essen: Gundula hatte zu Hause einen riesigen Topf sehr leckeren Gemüseeintopf gekocht, ungefähr die Menge für fünf Personen, aber irgendwie passte das alles in uns rein.
Um kurz vor neun wurden wir dann wieder abgeholt, denn wir bekamen noch zwei Lieder vom Kirchenchor gesungen, die gerade in der Kirche geprobt hatten. Das war wirklich nett, und der erstaunlich große Kirchenchor war interessiert und ein bisschen ungläubig ob unserer seltsamen Reise: eine weitverbreitete und völlig verständliche Reaktion!
Danach folgte ein weiterer, aufregender Tagesteil: ich durfte Orgel spielen! Wir bekamen sogar den Kirchenschlüssel ausgehändigt, und so konnte ich ein bisschen die Register ausprobieren und gucken, was gut (und was weniger gut) klingt. Sehr spannend, und ich wurde darin bestärkt, dass ich gerne Orgel lernen würde. Pünktlich um 10 hörten wir dann aber auf, an der Orgel herumzufuhrwerken, denn wir wollten nicht die Nachtruhe von einer der 30 Personen stören, die in Neukirchen wohnen. Die hatten sich vermutlich sowieso schon gefragt, wer da so unbeholfen die Orgel malträtiert.
Stattdessen machten wir uns auf den Weg in das gemütliche Schlafgemach, überdacht, lange nicht so kalt wie ein Zelt, und in meinem Fall sogar mit echter Matratze. Tilman, der ein bisschen verliebt in seine Isomatte zu sein scheint, blieb, wie schon oft, bei der Isomatte. Und ich schlummerte auf der Matratze einfach ein, ohne groß einen Gedanken an das Blogschreiben zu verschwenden.
Und deshalb liege ich jetzt, drei Tage später, auf einem gemütlichen Sofa in einer Ferienwohnung in Neukirchen bei Malente und schreibe viel zu spät abends noch Blog.
Da wir morgen früh loswollen, werdet ihr aber leider nicht nicht erfahren, wie es zu dieser erfreulichen Situation gekommen ist - ich wechsle nun schnell ins Schlafzimmer und fläze mich auf das Bett, das vermutlich noch gemütlicher ist als dieses Sofa.