Wer mich kennt, den überraschen solche Aussagen nicht. Doch wie kam es dazu? Im März meinte meine Freundin Julia in unserem Freundeschat, ob wir in ein Ballett mit 6000 l Wasser in Oslo gehen. Ich vermute inzwischen eher als Spaß , doch daraus wird schnell ernst (vorallem wenn das Ballett von Ekman ist!). Und so wurden Pläne geschmiedet, Tickets gebucht und sich gefreut auf ein Wiedersehen nach langer Zeit.
Doch Oslo ist weit und Flüge nicht nur umwelttechnisch bedenklich, sondern auch teuer. Also schnappt man sich das Rad und radelt dahin. So zumindest die Idee in meinem Kopf. Natürlich kam dazu noch der Umzug für den ich die 3 Wochen Urlaub Ende Juni eigentlich geplant habe. Doch dank Ida wurde der auch gut erledigt, trotz meines Chaos. Jetzt gibt es natürlich noch den Keller der WG. Und wer in einer WG gewohnt hat, weiß, dass sich dort Jahrzehnte Müll ansammeln können. Den mussten wir noch entsorgen. Zum Glück wurde aus dem Semesterticket ja das 9€-Ticket und so entschloss ich noch zwei Tage länger in Dortmund zu bleiben und dann kurz mit dem Zug an die dänische Grenze zu fahren. Wer die Deutsche Bahn kennt, weiß jetzt schon, dass das nicht klappen kann. Naja. Nachdem wir als WG die Sachen zum Recyclinghof gebracht haben und danach noch auf einer Geburtstagsparty waren, haben wir anschließend noch um 2 Uhr morgens mit dem Lastenrad die Sachen zur Altkleidersammlung gebracht.
Pünktlich um 9… ähm 10 Uhr (wie natürlich geplant), fuhr ich am Sonntag los. Dortmund - Münster - Osnabrück - Bremen. Bis dahin lief alles problemlos. Also so problemlos wie man das von der Deutschen Bahn kennt: Leute, die sich ins Mehrzweckabteil setzen und weder Platz für Fahrräder, noch Kinderwagen machen und sogar für Senioren im Rollator nicht aufstehen.Doch in Bremen begann das Abenteuer. Die Metronom (niedersächsisches Verkehrsunternehmen) hat nämlich gemerkt, dass wegen des 9€-Tickets mehr Leute Zug fahren (ach nein!) und statt mehr Züge oder Wagons fahren zu lassen, haben sie einfach entschieden Fahrräder komplett zu verbieten und Leute aus den Zügen zu werfen. Nur war dieses Wochenende nicht so viel los (vielleicht war es nicht Pfingsten? Das hätte man natürlich nicht vorher wissen können) und die Züge nicht so voll, doch das hielt sie nicht davon ab Fahrräder trotzdem nicht mitfahren zu lassen. Also fuhr ich nach Cuxhaven und nach 40 Minuten warten von dort nach Hamburg. Dort wieder 40 Minuten warten um in den letzten Zug des Tages einzusteigen und 3 Stunden später als geplant (um 21 Uhr) in Flensburg anzukommen.Die Fahrten waren dabei recht unspektakulär: schreiende Kinder und ein Tausch - Maske gegen frische Erdbeeren - gehören ja zu jeder Zugfahrt.
21 Uhr heißt ja nicht bei allen Schlafenszeit (vorallem nicht in einer Stadt) und so radelte ich, wie in alten Zeiten, mit einer IDA (siehe "Über uns") im Ohr noch 40 km um gegen Mitternacht auf einen "primitiv Teltplads" bei Kalvø Lager aufzuschlagen. Primitv Teltplads sind Orte in Dänemark, wo es legal ist "wild" zu zelten. Meistens weit weg von autobefahrenen Straßen, einfach nur Steine im Kreis um Feuer zu machen aber manchmal auch mit kleinen Hütten, wo man sich mit Schlafsack und Isomatte einquartieren kann.
Am nächsten Morgen ging es dann früh los. Bis ich gesehen habe, dass es draußen regnet. Dann habe ich das Zelt geschlossen und habe bis 10 Uhr weitergeschlafen. Irgendwann gegen 11 ging es dann tatsächlich los. Ziemlich ereignislos hat sich dann Dänemarks Fahrradinfrastruktur sowohl von ihrer guten wie von ihrer schlechten Seite gezeigt. Ähnlich wie in Deutschland verschwinden hier Fahrradwege neben Straßen plötzlich, waren nur ein Fuß breit oder erst gar nicht vorhanden. Wenn sie da sind, sind sie allerdings gut gepflegt und innerorts ist die Infrastruktur deutlich besser als in Deutschland! Was man oft hört: "Dänemark hat die beste Fahrradinfrastruktur Europas", stimmt nur, wenn die Dänen vorhaben, die Niederlande zu überfluten.
Auch der zweite Tag verlief eher unspektakulär, ein befleckt bewölktes Dänemark ließ die Landschaft vor sich herfließen und ich radelte bergauf und bergab und machte nur kurz Pause um Joghurt einzukaufen, direkt zu essen und mich mit geocachenden radelnden Holländern zu unterhalten. Abends dann der reine Luxus: der primitiv Zeltplatz hatte so eine Hütte und ich musste mein Zelt nicht aufbauen.
Morgens war das Packen natürlich schneller und ich musste mich entscheiden, wie schnell ich fahre, denn die Fähre von Frederikshavn nach Göteborg fahren jeweils um 14 und um 20 Uhr. Wegen der andeutenden Knieschmerzen, entschied ich mich für letztere und radelte gemütlich vor mich hin. Nur leider war der Weg zu gut, der Wind genau richtig und das Knie doch nicht so schlimm, sodass ich um 14:30 in Frederikshavn war. 5 Stunden später und nach 2 Unterhaltungen mit anderen Tourern konnte ich dann auf die Fähre und 3 Stunden später wieder runter. Genau richtig, um wild zu Zelten war ich also 23 Uhr in Göteborg Zentrum. Mit IDA im Ohr fuhr ich noch etwas mehr als eine Stunde nach Norden um endlich aus der Stadt raus zu sein. Als ich dann einen Platz fand, Ida von ihrem Leiden erlöste und mein Lager aufbaute, brach die Stange von meinem Zelt. (passend zu Idas SMS "Viel Spaß beim Zelt aufbauen und gute Nacht"). Mit nervigen Kribbelmücken um mich herum, versuchte ich die Stange zu reparieren, bis ich irgendwann aufgab, einen Stock als Ersatz nahm und ohne Isomatte und Schlafsack einfach auf dem Boden meines wackeligen Zeltes einschlief.
Der nächste Morgen kam, die Sonne schien und ich und mein Stock fuhren gemütlich durch Schweden. Als nach 50km ein Schild "Vorsicht, Elche" kam, dachte ich erst, dass würde ja nur aus allgemeiner Vorsicht da stehen, doch keine 200m weiter, sah ich dann direkt einen.
Und so tröpfelte der Tag vor sich hin, mit schönen Ausblicken und viel monotonem Fahren (wie das nun so ist wenn man mit einem Ziel und einem Zeitplan fährt).
Abends mit Julia am Telefon verfuhr ich mich und wie es der Zufall so will, wurde ich von zwei Menschen angesprochen. Håkan und Annika haben eine Hütte nördlich von Mankedal, genau soweit wie ich fahren wollte! Sie lockten mich mit Versprechen einer Dusche und eines Bettes. Daraus wurde ein Abendbrot und eine Unterhaltung. Und abends war ich dann extrem froh nicht das kaputte Zelt aufbauen zu müssen!
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen ging es dann, anders als geplant, am See lang Richtung Norden, denn die 5km zurück zu meiner geplanten Route waren auch ungefähr die Länge des Umweges. Die neue Route war wohl auch die richtige Entscheidung, denn die Straße war extrem leer und das Fahren entspannt. Nach einem letzten Einkauf im ICA, um die norwegischen Preise ein bisschen zu verzögern, ging es dann über die Grenze. Während ich fuhr, merkte ich, dass der Schaltzug von meiner Gangschaltung nur noch an 2-3 Fäden hing. Wie fürs Drama geschrieben fuhr ich die Berge mit schmerzenden Knien hoch und wieder runter, um genau (und das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht) zwei Minuten vor Schließzeit ein Ersatzkabel zu kaufen. Nachdem dieses schnelle ersetzt wurde, fing es in typisch norwegischer Art direkt an zu regnen und hörte natürlich auch den ganzen Tag nicht wieder auf. Ein sehr schlechter Moment dafür, denn in denn am nächsten Tag sollte ich von Julia ihr altes (aber nicht-kaputtes) Zelt als Ersatz bekommen. Gegen 23 Uhr fand ich zum Glück eine Sitzecke bei einer Stelle um Boote ins Wasser zu bringen. Dort baute ich ein sehr wackliges Zelt auf, um mich vor den doch sehr zahlreich vorhandenen Spinnen zu schützen und schlief schnell ein.
Der letzte Tag fing wieder gut an. Die Sonne ließ schnell die nassen Klamotten trocknen und ich flog regelrecht Richtung Oslo. Die Autofahrer Norwegens müssen an dieser Stelle nochmal gelobt werden. Mindestens 50% überholt auf der Gegenspur, 30% mit zwei Meter Abstand und die restlichen fahren so langsam an dir vorbei, dass du nicht um dein Leben fürchten musst. Insgesamt drei schlechte Überholmanöver habe ich in den zwei Tagen erlebt. Von denen hatten dann natürlich eins ein deutsches und eins ein schweizer Kennzeichen…
Zum Ende sind die letzten 20km noch erwähnenswert, denn noch nie habe ich so eine hässliche Einfahrt in eine Stadt erlebt: direkt an der E18 mit nur einer Metallplanke dazwischen. Mit zwei Ausnahmen: einmal führte die Straße mit 40% bergab und direkt danach wieder mit 50% an die Straße zu führen. Das zweite Mal führte sie auf einmal überraschenderweise auf eine Straße in den Gegenverkehr. Überlebt habe ich es ja anscheinend trotzdem. Nun genieße ich ein paar Tage Ruhe in Oslo und berichte vermutlich bald von der Rückfahrt nach Trelleborg.