Wir genießen unsere letzten Tage in Schweden und planen unsere Zukunft nach der Fahrradtour. Es wird wohl nie langweilig...
Ein guter Comedian lehrte uns diese Woche wichtige Vokabeln für die ersten Monate in Schweden:
"Hej hej" (Begrüßung), "Talar du engelska?" (Sprechen Sie Englisch?), "Nej Tak" (Nein Danke), "Hej da!" (Auf Wiedersehen).
Samstag 23.09.
Für uns ist es manchmal schon ein Luxus wenn wir mit fließendem Wasser aufwachen. Zum Beispiel zum Zähneputzen oder zum saubermachen der Kochutensilien. Da wir ja mehr als genug Zeit hatten, nahmen wir sie uns auch. Ausgeschlafen und motiviert verließen wir den Skiplatz.
Wir fuhren viele kleine Straßen lang. Wieder Hügel hoch und runter. Die Landschaft war cool, denn rechts und links neben uns gab es immer wieder Felder mit kleinen Steinbrocken drauf. Am einem Parkplatz lud uns die Sonne und der Picknicktisch zu einem kleinen Nap ein. Der wurde dann von einem fernen Grummeln des Himmels und immer dunkler werdenden Wolken unterbrochen. Zeit wieder aufzubrechen! Aber nicht ohne den Wasserfall auf unserem Weg nochmal genauer anzuschauen!
Das Grummeln wurde immer lauter und zwischen einem Golfplatz und einem Gutshaus sahen wir eine offene Werkstatttür mit fleißigen Menschen drin. Unsere letzte Gelegenheit nicht nass zu werden. Tilman ging also hin und fragte höflich, ob wir uns kurz unterstellen können. Genau in dem Moment leuchtete der Himmel hell von einem Blitz und wir bekamen das OK. Die Fahrräder blieben dort wo sie waren und wir rannten so schnell es ging in die Garage. Unser "Gastgeber" war ein polnischer Gastarbeiter, der zuvor immer in Deutschland gearbeitet hatte, aber in Schweden mehr verdient. Wir unterhielten uns mit ihm auf Deutsch und waren beeindruckt von all den Sprachen, die er beherrschte. Er erklärte uns auch wie er die Fenster des benachbarten Gutshauses renovierte. Eine ganz schöne Wissenschaft! Er empfahl uns auch mal kurz ins Gutshaus/Schloss reinzuschauen. Das ließen wir uns nicht nehmen und rannten schnell rüber. Empfangen wurden wir von zwei Ritterrüstungen, die zweifelsohne jeden unerwünschten Eindringling abschreckten! Das gesamte Haus war noch sehr gut erhalten und wir wandelten durch die alten Zeiten und Räume.
Wir sahen von drinnen zu, wie der Regen langsam nachließ und verabschiedeten uns freundlich von dem netten Polen, der uns noch alles Gute für die weitere Reise wünschte. Durch den unerwartet langen Regenschauer, kamen wir lang nicht so weit, wie wir gedacht hatten und suchten langsam nach einen Ausweich Platz zum nächtigen. Das Gute an Schweden ist ja das Jedermansrecht, nachdem man fast überall für eine Nacht bleiben darf. Allerdings will man diese Gastfreundschaft auch nicht ausnutzen und beherzigt lieber ein paar unausgeprochene Regeln. Sowas wie nicht zu nah an Häuser, nicht auf Feldern, etc. Da wir uns allerdings dem Ballungsraum Jönköping nährten, stellte sich das als etwas schwieriger herraus. In einem Vorort fanden wir einen eher schlechten als rechten Ort. Eine kleine Bucht, die im Sommer bestimmt zum Baden genutzt wird mit vorgelagertem Spielplatz und Parkplatz. Auf dem Parkplatz hatten es sich schon ein paar Camper bequem gemacht. So richtig überzeugt von der Legalität waren wir allerdings nicht... Etwas näher am Wasser gab es ein kleines Fleckchen, welches vor neugierigen Blicken etwas verbarg. Wir fragten eine vorbeikommende Frau mit ihrer Tochter ob sie denken, dass es ok wäre für eine Nacht und sie stimmte uns zu. Ihre Tochter war sehr tapfer, denn sie hatte sich in den Kopf gesetzt jeden Monat einmal in das kalte Wasser zu springen. Sehr mutig, wie wir finden!
Wir machten es uns also bequem, kochten noch eine Kleinigkeit und stellten den Wecker auf sehr früh am nächsten Morgen. Böse Überraschungen wollten wir nun wirklich nicht haben.
Sonntag 24.09.
Früh am Morgen klingelte der Wecker - wir wollten ungewollte Überraschungen am frühen Morgen durch unseren eher unidealen Schlafplatz vermeiden.
Es heißt ja bekanntlich: "Der frühe Vogel fängt den Wurm". Beim Fahrradfahren würde ich es um interpretieren in: "Der frühe Radler hat die Straße für sich".
Sehr entspannt fuhren wir nach Jönköping rein. Überraschenderweise bedeutete das Hügel rauf und runter zu fahren. Aber oben auf den Hügeln hatte man eine wunderschöne Aussicht auf den großen, endloswirkenden See und die sich dahinter aufbauende Stadt. Bevor es in die schönen Teile der Stadt ging, fuhren wir im Randgebiet beim Lidl vorbei. Heute waren unsere heißgeliebten mit Vanillepudding gefüllten Pfannkuchen allerdings eine eisige Überraschung... Die komplette Füllung war noch gefroren und machte es eher weniger erfreulich.
Den Rest des Frühstückes verspeisten wir am Strandufer des Vätterns. Zum einen weil die Aussicht an dem Morgen einfach schön war, und zum anderen, weil entlang der Strandpromenade öffentliche Toiletten eingezeichnet waren. Leider war keine davon offen. Stattdessen konnten wir einige mutige Schweden beobachten, wie sie sich in die frischen Weiten des Sees stürzten und hastig wieder rausgangen. Ein paar ältere Damen kam auf uns zu uns fing mit uns ein Gespräch an. Sie konnten uns unter anderem mit Insiderinformationen über die örtlichen öffentlichen Toiletten versorgen. Zu meiner Erleichterung. Im wahrsten Sinne...
Als das lange Frühstück endlich beendet war, schauten wir uns noch ein bisschen in der schnuckeligen Stadt um. Unteranderem betrachtete Tilman eine Kirche von Innen, während ich draußen auf die Räder aufpasste. Alsbald fuhren wir auch weiter, da das Stillstehen an einem Ort langsam auch wirklich zu innerer Kälte führte...
Auf einem der längeren "geradeaus Abschnitte" kam uns eine andere Fahrradfahrerin entgegen. Sie fährt regelmäßig Kilometer für eine Wohltätigkeits Organisation (instagram: marijaaurell). Sie radelt absurd viele Kilometer pro Tag! So lang wie ihr Tag, so kurz war unser Treffen mit ihr, da sie noch so einiges vor hatte.
Auf dem Weg zu unserem auserkohrenen Schlafplatz kamen wir noch an ein paar süßen Dörfern mit echt idyllischen Kirchen vorbei! So macht Fahrradfahren Spaß!
Am See unserer Vertrauens angekommen, mussten wir feststellen, dass wir nicht die einzigen waren, die dachten es sei ein guter Platz... Eine Gruppe deutscher Camper mit Zelt waren schon da und haben es sich bequem gemacht. Zum Glück ist unser Zelt ja nicht allzu groß und wir fanden noch einen schönen Platz mit Ausblick! Unser Essen verdrückten wir allerdings wieder im Zelt. Mosquitos. Ihr versteht schon...
Montag 25.09.
In aller Ruhe (bis auf das leise Grummeln der Autobahn in weiter Entfernung) wachten wir durch die Sonne im Zelt auf. Zum ersten Frühstück gab es Kakao. Danach bauten wir langsam das Zelt ab, ließen nochmal die Drohne fliegen und verabschiedeten uns von unserem schönen Zeltplatz. Erstes Ziel war der Lidl, wo wir 1kg Quark und Müsli frühstückten.
Heute vollführten wir wieder einen Tanz um die E4. Das schöne an der Region hier sind, dass es viele alte Ruinen gibt, die man sich anschauen kann. Heute fanden wir zum Beispiel eine alte Kirchenruine. Mit dem Wetter hatten wir auch Glück. Zwar keinen Sonnenschein, dafür aber immerhin kein Regen. Am Abend fanden wir einen freien Platz, wo vermutlich mal Bäume gelagert wurden. Zumindest gemessen an all den Holzresten auf dem Boden. Nicht der perfekteste Platz, da die E4 ziemlich nah war, aber wir hatten unsere Ruhe vor ungebetenen Gästen :-)
Dienstag 26.09.
Manchmal sind die unspektakulären Schlafplätze auch sehr schön! Wir hatten eine entspannte Nacht und einen entspannten Morgen. Niemand weckte uns und wir hatten alle Zeit der Welt das Zelt abzubauen. Was will man mehr im entspannten Schweden?
Und entspannt war unser Tag! Nicht so viele Kilometer, dafür viel Sonnenschein, viele Wälder, wenig Autos und Aussicht auf einen netten Zeltplatz an einem See.
Als wir an besagtem See ankamen, fanden wir sogar eine Feuerstelle und einen Picknicktisch vor! Ein Schwimmsteg führte direkt zum Wasser, welches allerdings weniger zum Baden einlud. Wir realisierten, dass es unsere letzte wildzelten Nacht in Schweden sein würde. Eine leichte Melancholie befiel uns, aber wir genossen es noch einmal ganz in Ruhe mit dem Holzgasverbrenner kochen zu können. Ganz legal hier sein zu dürfen. Wir sahen zu, wie sich der Nebel über dem See verdichtete und die Welt um uns herrum dunkler wurde. Als irgendwann nicht mehr so viel zu sehen war, zogen wir uns in unser Zelt zurück und drifteten in das Land der Träume.
Tjaaaa das hätte eine sehr entspannte letzte Nacht in Schweden sein können. Doch wie das manchmal so ist auf Reisen... Es kommt Erstens immer anders, und Zweitens, als man denkt!
Gegen 1:00 nachts wachte ich davon auf, dass jemand mit einer Taschenlampe an unserem Zelt vorbei ging. Zunächst vermutete ich einen späten Spaziergänger mit Hund oder ähnlichem. Allerdings blieb der Lichtstrahl lange da und bald gesellte sich ein zweiter hinzu. Die beiden Männer außerhalb vom Zelt sprachen Schwedisch, gingen kurz weg und kamen bald wieder. Ich tippte Tilman an und stellte fest, dass er auch schon gespannt lauschte. Ganz geheuer war uns die Situation jetzt nicht. Manchmal gefriert einem dann schon das Blut in den Adern und man ist in Alarmbereitschaft. Wir hörten, wie einer von den beiden ein Feuerzeug betätigte und sahen, wie von außen der Schein eines Feuers unser Zelt erhellte. Ernsthaft, wer kommt auf die Idee mitten in der Nacht ein Feuer dort zu machen. Zumal es ja offensichtlich Leute gibt, die in der Nähe schlafen wollen. Das Feuer wurde immer größer und heller und irgendwann gewann Tilmans Mut und er ging raus um ein Gespräch zu suchen. Ich folgte. Das Handy in der Hand um gegebenfalls Hilfe rufen zu können. Zum Glück traten die beiden Männer nicht aggressiv auf, sondern wir konnten uns mit Ihnen auf Englisch unterhalten. Ganz nüchtern schienen sie allerdings nicht zu sein... Sie holten aus ihrem Auto, was einige hundert Meter entfernt in einer Parklücke stand, riesige Mengen von Verpackungspappe. Offenbar wollten sie alles hier verbrennen... Die Pappe zündete nur so und die Flammen wurden immer höher. Wir hatten nicht nur Angst um die umliegenden Bäume, sondern auch, dass Funken auf unser Zelt niedergehen könnten und fragten Sie höflich, ob sie damit aufhören könnten, weil wir gerne schlafen würden. Die erste Antwort war, dass das ja garnicht so schlimm sei, die machen das wohl öfter und bisher ist nichts passiert blabla. Als ich sie dann nochmal höflich fragte, ob sie weggehen könnten, weil wir morgen früh aufstehen und weiterfahren müssen, löschten sie das Feuer und gingen weg. Zu unserer Überraschung starteten sie stattdessen ein Feuer in der (zum Glück weit entfernten) Parklücke. Ganz takko waren sie ja nicht mehr im Kopf. Wir blieben so lange wach und angespannt, bis wir das Auto wegfahren hörten.
Die Spinnen die Schweden.
Mittwoch 27.09.
Nach dieser verrückten Nacht standen wir in der Tat sehr früh auf. Noch mehr unangenehme Überraschungen müssen ja nun wirklich nicht sein! Als kleine Entschädigung bekamen wir einen schönen Nebel über dem See.
Und in der Tat: Der heutige Tag war einfach extrem entspannt. Wir fuhren entlang von Feldern auf überwiegend kleinen Straßen und kamen hier und da an Herrenhäusern und Schlössern vorbei.
Das eine krasser als die anderen! Am frühen Nachmittag erreichten wir Lund. Und waren, zumindest von der Fahrradinfrastruktur, mehr als begeistert! Wir mussten nur einmal eine größere Straße überqueren, ansonsten wurde man als Fahrradfahrer immer autofrei geführt. Ein Traum! Wir fuhren zu unserem Warmshowers Host David und fingen schonmal an das Abendbrot vorzubereiten und uns mal wieder zu waschen. Nach einiger Zeit kam David auch nach Hause. Es war mal wieder eine dieser Begegnungen, wo man sich von der ersten Sekunde an versteht! Selbst als wir in das Wohnzimmer umzogen, waren die Gesprächsthemen nicht zuenede und werden es wohl auch lange nicht sein. Falls wir nach Lund ziehen, werden wir auf jedenfall weiter mit David in Kontakt bleiben.
Donnerstag 28.09.
Als wir am nächsten Morgen aufwachten, war David schon längst auf Arbeit. Am Vormittag wuschen wir mal wieder Sachen, hängten das Zelt zum trockenen auf und machten halt all die Dinge, die sich mal wieder aufgestaut hatten. Gegen Mittag machten wir uns dann mit dem Lastenrad auf in die Stadt. Mal wieder zeigen sich die Stärken der schwedischen Stadtplanung. Ein einziges Mal mussten wir eine kleinere Straße überqueren. Ansonten ging es auf exklusiven Fahrradwegen entlang. Kein Lärm, wenig Bewegung außerhalb, kaum Kontakt zu Autos. Sicherer könnte Fahrradfahren kaum sein! Wir machten das typische Touriprogramm. Kirche, Unigebäude, Park mit Labyrinth. Und natürlich ein Abstecher in den Spieleladen von Lund - sehr empfehlenswert!
Am Abend trafen wir uns dann wieder mit David und einigen seiner Freunde in der Stadt. Dort lernten wir das merkwürdige Phänomen der kulturellen Annehmung der Schweden an, über das sich David schon ausgelassen hatte. Beispiele sind der "Taco Friday", "Afrika Pizza" (Bananen, Erdnüsse und Curry) und noch viel mehr.
Eine Freundin von David ist auch Physikerin in Lund und es war sehr spannend sich mit ihr über die Erfahrungen auszutauschen. Nach dem wir uns eine Pizza genehmigt hatten, ging es in einen Pub zu einem Comedy Event. Leider war es sehr voll und wir standen eigentlich die ganze Zeit an der Seite. Ein Comedian stach hervor. Er war Engländer und begann seine Show mit den erste Wörtern und Phrasen, die er zuerst auf Schwedisch gelernt hatte. "Hej hej" (Begrüßung), "Talar du engelska?" (Sprechen Sie Englisch?), "Nej Tak" (Nein Danke), "Hej då!" (Auf Wiedersehen). Sehr lustig, weil die meisten Schweden natürlich Englisch sprechen. 5 lustige Minuten später verabschiedete er uns mit den gleichen Worten: "Nej Tak, hej då!". Und irgendwie wurden diese Phrasen zum running gag zwischen uns und David.
Zusammen fuhren wir dann noch nach Hause und gingen mal wieder viel zu spät ins Bett.
Den ganzen Abend haben wir richtig genossen! Mal wieder in der Zivilisation "ausgehen" und an Veranstaltungen wie einer Comedy Show teilnehmen hat uns dann vielleicht doch ein bisschen gefehlt.
Freitag 29.09.
Heute war dann also endlich der Anlass, warum wir überhaupt so lange in Lund verweilen - ein informelles Bewerbungsgespräch an der Uni. Natürlich war ich super aufgeregt, aber eine kleine motivierende Notiz von David am Morgen auf dem Küchentisch munterte mich auf! Noch entspannter wurde ich, als Tilman mich mit dem Lastenrad vor der Uni absetzte und ich ein paar coole Stunden mit der aktuellen Doktorandin verbrachte. Wir haben uns sofort verstanden und ich war richtig glücklich sie kennengelernt zu haben!
Danach traf ich mich mit Tilman wieder in der Innenstadt und besuchten den Botanischen Garten. Wir fuhren noch ein bisschen rum und trafen uns abends wieder mit David und seiner Freundin in der Wohnung. David zauberte eine super leckere Quiche und bereitete eine galizische Spezialität vor: Pulpo (Oktopus). Ein wirklich schöner Abend!